Starnberg:Casino mit Tiefgang

Der Bayerische Yachtclub in Starnberg hat Probleme mit seinem repräsentativen Vereinssitz: Das noch nicht einmal zehn Jahre alte Gebäude hat sich um zehn Zentimeter in den weichen Tongrund abgesenkt.

Gerhard Summer

StarnbergTemperaturen sinken, ein Schiff sinkt. Aber ein Haus?

Vor neun Jahren war noch alles im Lot. Im September 2004 weihte der Bayerische Yacht-Club sein neues Casino am Nepomukweg ein, 500 Gäste waren gekommen. Präsident Manfred Meyer sprach von einem Meilenstein in der Geschichte des 1888 gegründeten Vereins. Und Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger lobte einen "Neubau, der Akzente setzt", und zwar für das Projekt Seeanbindung. Sicher, mit der Seeanbindung in Starnberg ist es immer noch nichts geworden, aber das mit den Akzenten hat seine Richtigkeit. Denn das gediegen ausgestattete, 3, 9 Millionen Euro teure Clubhaus ist ein Beispiel dafür, wie man die Atmosphäre vergangener Tage bewahren und trotzdem moderne Funktionalität erreichen kann: Architekt Marco Götz nahm die Formsprache des mehr als 100 Jahre alten Casinos auf und integrierte alte Schätze wie eine stark gemaserte Holzsäule, eine historische Gedenktafel und sogar das komplette Schifferstüberl samt Dielenboden in den fahl gelb gestrichenen Neubau mit Turm.

Doch die Freude währte nicht lange. Schon bald zeigte sich, dass das große Gebäude im Stil einer Landhausvilla mehr Tiefgang hat, als einem Bauherrn lieb sein kann. Das Casino, das auf dem schwammigen Boden direkt am Seeufer steht, senkt sich nämlich ab, allerdings nicht gleichmäßig auf der ganzen Fläche. Inzwischen hat die Setzung sechs bis zehn Zentimeter erreicht. Und die dadurch entstandenen Schäden summierten sich bislang auf 72 000 Euro, wie Heinz Löhr und Hansjochen Bludau vom Vorstand des Vereins sagen. Der Yacht-Club prozessiert seit Juli 2009 gegen die Tiefbaufirma Bauer mit Sitz in Schrobenhausen, ein Unternehmen mit weltweitem Renommee. Denn Bauer hatte nach Angaben des Juristen Löhr eine maximale Setzung von drei Zentimetern garantiert. Ein Urteil des Landgerichts München II steht noch aus; die nächste mündliche Verhandlung ist für September dieses Jahres angesetzt.

Vor allem aber ist nicht ganz sicher, ob die Geschichte ein gutes oder ein böses Ende nehmen wird. Der zu erwartende Idealfall: Das Gebäude sackt wie zuletzt nur noch millimeterweise ab, die Setzung kommt zur Ruhe, spätestens in 30 Jahren, wie ein Experte meint. Der unwahrscheinliche GAU: Die Absenkung verschlimmert sich, und die Firma Bauer muss sofort reagieren. Es ist im Gespräch, bis zu 150 Stabpfähle mit dem Durchmesser von 30 Zentimetern durch das stahlbewehrte, 60 Zentimeter dicke Betonfundament in den festen Untergrund zu pressen. Selbst wenn diese schwierige Operation gelänge - das Casino wäre für ein, zwei Jahre nicht zu nutzen.

Für den Yacht-Club ist die Malaise um so schlimmer, als das Projekt professionell vorbereitet worden ist. "So etwas macht man alle 100 Jahre einmal, und deshalb ist das sehr bitter", sagt Löhr. Es gab einen eigenen fünfköpfigen Bauausschuss, dem auch Bludau angehörte; das Gremium traf sich einmal in der Woche, insgesamt 100 Mal. Und die Mitglieder griffen für den Bau ins eigene Portemonnaie. Sie zahlten Umlagen von 500 Euro im Jahr. 600 000 Euro kamen durch Spenden zusammen. Und nach langem Hin und Her, ob der Verein einen Neubau auf sein Gelände am See stellen oder das 100 Jahre alte Casino, eine mehrmals umgebaute und sanierte alte Wachsbleiche, wieder herrichten lassen sollte, fiel 2002 die Entscheidung für einen Kompromiss: einen Entwurf des Mitglieds Götz, der beide Sichtweisen versöhnte.

Klar war: "Wir sind am See, wir haben einen schwimmenden Baugrund, Seeton. Wir wussten, dass wir besondere Aufwendungen bei der Gründung des Hauses haben", sagt Löhr. Ursprünglich war vorgesehen, dem Casino mit Holzpfählen Halt zu geben. Doch eine Dachauer Tochtergesellschaft der Spezialfirma Bauer kam mit einem anderen Vorschlag: dem CSV-Verfahren, einer bewährten und nach wie vor angewandten Methode.

Bludau erklärt es so: "Bei diesem Bodenverfestigungsverfahren wird gebohrt, ein Schneckengestänge bringt ein Zementsandgemisch in den Boden ein, das dem Untergrund Feuchtigkeit entzieht und aushärtet". Die Zement-Sand-Säulen reichen bis in zehn Meter Tiefe, mehr als 1000 Bohrungen sollten den Boden sichern. Darauf sitzt die Betonplatte - eine schwimmende Konstruktion.

2005, bei einem Beweissicherungsverfahren nach der Bauabnahme, zeigte sich, dass "die Gründung nicht tief genug ging", wie Löhr erklärt. Ein Sachverständiger kam zu dem Schluss: Die "Verdrängungssäulen" hätten in 15 statt in zehn Meter Tiefe reichen müssen. Wobei der Fehler laut Löhr nicht bei der Firma Bauer liegen soll: Sie ließ die Bohrtiefe nach eigenen Angaben durch zwei Ingenieurbüros berechnen. Eine außergerichtliche Einigung mit dem Unternehmen kam bisher nicht zustande. Die Forderung des Clubs: "Wir wollen die Sicherheit haben, dass zukünftige Schäden bezahlt werden. " Für die Reparatur eines Wandrisses und Anpassungen von Versorgungsleitungen kam ihm zufolge Bauer bereits auf.

Löhr ist auch zuversichtlich, dass der Yacht-Club den Prozess gewinnen wird. Denn für die knifflige Arbeit am Fundament, wie sie die Spezialfirma nach anfänglichen eigenen Zweifeln nun vorschlage, gebe es noch keine Nachweise durch statische Berechnungen. Und ein Statiker, den der Yacht-Club zugezogen hat, vertritt die Ansicht, dass die Nachbesserung technisch nicht möglich sei. Ein Sprecher der Bauer Spezialtiefbau GmbH sagte, seine Firma wolle wegen des laufenden gerichtlichen Verfahrens keine Stellungnahme abgeben. Er könne nur sagen: "Wir haben einen Sanierungsvorschlag erarbeitet, der derzeit von Gutachtern geprüft wird."

Von außen ist kaum zu erkennen, dass das Casino um bis zu zehn Zentimeter geschrumpft ist. Nur wer das Haus kennt, wird bemerken, dass das Gefälle der Terrasse jetzt zum Haus und nicht mehr zum See hin verläuft. Einige Segler nehmen es mit Galgenhumor: "Im nächsten Jahrhundert werden wir einen Keller haben."

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