Starnberg:Buchen musst du suchen

Starnberg: Kerngesund waren die neun Buchen auf einem Privatgrundstück nahe des Schwarzbachs in Söcking. Orkan "Niklas" aber brachte sie zu Fall.

Kerngesund waren die neun Buchen auf einem Privatgrundstück nahe des Schwarzbachs in Söcking. Orkan "Niklas" aber brachte sie zu Fall.

(Foto: oh)

Stadt hat am Schwarzbach abholzen lassen. Als Orkan "Niklas" wütete, fielen bis zu 100 Jahre alte Bäume auf Privatgrund um. Die Eigentümerin will jetzt Schadenersatz und wieder die Baumschutzverordnung

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Verwaltung der Stadt Starnberg steht möglicherweise Ungemach ins Haus - nur wenige Wochen, nachdem der Stadtrat sich mit Stimmen von BMS, WPS, FDP und Bürgerliste in einer höchst umstrittenen Entscheidung entschlossen hat, die städtische Baumschutzverordnung zu streichen. Es kündigt sich eine juristische Auseinandersetzung an, bei der es ausgerechnet um eine Fällaktion im Februar 2015 von Bäumen auf städtischem Grund in der Nähe des Schwarzbachs in Söcking geht. Nur vier Wochen später, nachdem die aus acht Buchen bestehende Gruppe gefällt war, tobte Orkan Niklas am 31. März - mit Folgen für einen privaten Grundstücksbesitzer in der Josef-Fischhaber-Straße. Neun etwa 80 bis 100 Jahre alte Rot-Buchen mit einem Stammumfang von 1,80 Meter stürzten um. Durch Windwurf entwurzelt beschädigten sie einen Zaun sowie zwei weitere Bäume. Grundstückseignerin Ruth Lange-Rothenfußer argumentiert, dass die aus ihrer Sicht völlig unnötige Fällaktion auf dem städtischen Areal den Flurschaden auf ihrem Grund verursacht habe und fordert Schadenersatz. Durch das Abholzen sei in westlicher Richtung eine Windschneise entstanden, die verbleibenden Bäume seien schutzlos geworden.

Die Buche gilt als "sozialer" Baum, aber auch als dünnhäutig. Im Gegensatz zu Eichen, die zumeist ein Dasein als Einzelkämpfer fristen, stehen Buchen lieber dicht zusammen. Sie können ungeschützt Sonnenbrand bekommen. Experten vermuten sogar, dass sie untereinander kommunizieren. Oft werden schwächere Bäume übers Wurzelwerk der übrigen Gruppe mit versorgt und so am Leben erhalten, intakte Blätterkronen einer Buchenkolonie gewährleisten weitgehenden Schutz des Kollektivs vor Wind und Sturm. Sensibel aber reagieren Buchen, wenn am Rand stehende Bäume gefällt werden. Oft kommt es dann zu einem "Domino-Effekt", der im ungünstigsten Fall nicht mehr aufzuhalten ist.

Für die betroffenen Grundstücksbesitzerin Langer-Rothenfußer ist die Sache klar: Durch die Abholzaktion der städtischen Bäume im Februar entstand eine Windschneise, ihre Bäume verloren so den natürlichen Schutz. Der bundesweit anerkannte Baumsachverständige Marc Wilde aus Lengerich bestätigt diese Auffassung in einem Gutachten. Die Standfestigkeit der umgesägten Bäume sei gewährleistet gewesen, die Aktion sei ohne Fachverstand erfolgt. Das bestreitet jedoch die Expertin der Stadtverwaltung, Theresa Edelmann. Sie macht geltend, dass die vom Maschinenring gefällten Bäume unter anderem an Brandkrustenpilz erkrankt und teilweise bereits seit 2013 zur Fällung vorgesehen waren. Die Stadt habe eine Verkehrssicherungspflicht und die Bäume hätten auf die Maximilian-von-Dziebowski-Straße stürzen können. Das temporäre Ereignis des Orkans Niklas aber habe zielgenau ausschließlich die neun Bäume des Nachbargrundstücks getroffen: Höhere Gewalt also. Diese These fand auch Unterstützung durch Erk Brudi aus Gauting, Förster und öffentlich bestellter Sachverständiger für Baumpflege und -statik, der zuweilen im Auftrag der Stadt Starnberg Gutachten erstellt. Zuletzt hatten Mitarbeiter seiner Firma "Tree-Consult" den Bestand im Biotop zwischen Schwarzgraben, Maximilian-von-Dziebowski- und Josef-Fischhaber-Straße im Herbst 2014 untersucht; der Bericht dazu steht jedoch noch aus.

Die umgestürzten Bäume weckten nun aber auch Begehrlichkeiten in der Nachbarschaft: Befürchtet wird, dass beim nächsten Sturm weitere bis zu 30 Meter hohe Buchen umstürzen und dann möglicherweise Häuser beschädigen könnten. Am Mittwoch kam es daher am Schwarzbach zu einem Ortstermin mit Begehung, an dem neben Vize-Bürgermeister Klaus Rieskamp auch Mitarbeiter der Stadtverwaltung, Rechtsanwälte, Baum-Experten, Hans-Jochen Iwan (Bund Naturschutz) sowie Anwohner teilnahmen. Die Gefahr aber, dass nun im besonders wertvollen Biotop im Naturschutzgebiet rund um den Schwarzgraben weiter abgeholzt wird, scheint gering zu sein: Die Fachleute rieten unisono bestenfalls zu behutsamen Eingriffen. Sonst seien drastische Folgen für den Gesamtbestand zu erwarten.

Das Kuriose an der Geschichte: Als die acht Buchen der Stadt Ende Februar 2015 gefällt wurden, war die städtische Baumschutzverordnung noch in Kraft. Nicht auszudenken, was passieren kann, wenn private Grundstücksbesitzer nun ohne jegliche Fachkenntnisse oder Beratung zur Säge greifen, um den Baumbestand zu reduzieren. Langer-Rothenfußer hält den Wegfall der Baumschutzverordnung für fatal - und will auch deshalb die Stadt Starnberg auf Schadenersatz verklagen. Ihr Anwalt glaubt, dass die Summe sich irgendwo im Bereich zwischen 30 000 und 200 000 Euro bewegen dürfte. "Es ist doch seltsam", sagt Langer-Rothenfußer, "die Bäume haben 1990 Vivian und Wiebke überstanden und 2007 auch Kyrill." Bei Niklas aber seien sie umgefallen - vier Wochen nach der städtischen Abholzaktion.

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