Starnberg:Born to be mild

Innerhalb des Starnberger Seniorentreffs konzentriert sich eine Gruppe nur auf Motorrad-Touren. Dort geht es um Natur und um Gemeinschaft - um Geschwindigkeit dagegen nicht.

Benedikt Warmbrunn

Senioren auf Motorrädern

"Wir sind keine Oldies, die die Sau rauslassen": Für die Mitglieder der Motorrad-Gruppe des Seniorentreffs geht es darum, die Landschaft zu genießen, wie zum Beispiel am Weissensee in Kärnten. Foto:privat

(Foto: privat)

Edward, der ohne Scherenhände, erzählt eine Geschichte, es ist ein Reisebericht aus Thailand, geschmückt mit vielen heiteren Anekdoten. In seiner Erzählung geht es um die Schönheit der oft noch ursprünglichen Landschaft, um kulinarische Besonderheiten, und wie in jeder guten Geschichte geht es auch um das andere Geschlecht. Ach ja: Um Motorradfahren geht es auch.

Edward müsste nicht sagen, dass er keine Scherenhände hat, er hat sogar recht feine Hände mit Fingern, aber er wird nun einmal so vorgestellt. Es wäre sogar ausgesprochen hinderlich, wenn Edward Scherenhände hätte, gerade in dieser Runde, die sich immer am ersten Freitag des Monats im Söckinger Restaurant "Opatija" trifft. Die Gruppe trifft sich nämlich, um über das Motorradfahren zu reden, über Motorradtouren, und über all das, was so passiert, wenn einer mit dem Motorrad durch die Welt fährt. Die Teilnehmer der Runde haben da viele Geschichten zu erzählen, sie sind sehr erfahrene Motorradfahrer, das wollen sie überhaupt nicht verbergen. Ihre Runde haben sie ganz offiziell im Rahmen des Starnberger Seniorentreffs etabliert.

Der Freitag, an dem Edward von Thailand erzählt, ist das erste Treffen im neuen Jahr, sechs Männer und zwei Frauen sind gekommen. Es werden Scherze gemacht, manche nicht zum ersten Mal, gelacht wird trotzdem, man kennt sich. Außerdem wünschen sich alle noch einmal ein gutes neues Jahr, und gut, sagen sie, wird es ja vor allem, wenn sie gesund bleiben.

14 Mitglieder hat die Motorrad-Runde, die meisten von ihnen sind Rentner, der Älteste ist Uwe, Jahrgang 1941. Sie geben sich erst gar nicht großartig Mühe, wie wilde Motorrad-Rocker zu erscheinen. Sie sprechen lieber von der Natur, von der Gemeinschaft, auch von der Gesundheit. Von Geschwindigkeit sprechen sie nicht. "Wir sind keine Oldies, die die Sau rauslassen", sagt Edward, die Gruppe fahre am liebsten ein "gemütliches Tempo", also maximal mit 100 km/h. "Das Rasen überlassen wir der Jugend", sagt Gerdi.

Als rüstige Rentner wollen sie aber auch nicht bezeichnet werden, sie sind vielmehr sehr leidenschaftliche, sehr gute Motorradfahrer. Einen Unfall gab es nur einmal, in Südtirol, als Gerdi eine Böschung herunterrutschte. Ansonsten schmerzen nach mehreren 100 Kilometer die Gesäßhöcker, wer falsch sitzt, der spürt die ständige Vibration auch in den Schultern. Die meisten fahren jedoch ganz bewusst eine Maschine, auf der sie locker sitzen können, dazu möglichst aufrecht. "Die Rennmaschinen, auf denen du nicht sitzt, sondern liegst, dürfen die Jüngeren fahren", sagt Roger. Aber zu alt für das Motorrad? Kopfschütteln.

Seit 2007 gibt es das monatliche Treffen, das nur in den Ferien ausfällt. Von Anfang November bis Ende März fährt keiner aus der Gruppe, das Wetter, die Straßenverhältnisse, sie sind ja nicht verrückt. In den wärmeren Wochen machen sie einmal im Monat einen Termin für eine gemeinsame Tagestour aus, wer Zeit für eine spontane Tour hat, telefoniert sich seine Begleiter zusammen. Die meisten haben oft Zeit für spontane Touren.

Wer auf dem Motorrad durch die Landschaft fährt, sagt Edward, "der erlebt sie erst so richtig". Das Auto ist für ihn "nur ein Transportmittel". Wenn sie aber auf ihren Motorrädern sitzen, dann haben sie Zeit für die versteckten Schönheiten, dann fahren sie auch mal rechts ran. Besonders gerne haben sie zum Beispiel die Strecke von Weilheim ins Ettal, über Peißenberg, Füssen, vorbei am Plansee. Landschaft ist ein wichtiger Aspekt dabei, der andere die Küchen, an denen der Weg vorbeiführt. Auf dem Auerberg gebe es zum Beispiel ein "sehr schönes Wirtshaus", sagt Dieter. Er lobt auch die "Kuchentour", über Rosenheim zum Seehamer See, weiter nach Sudelfeld. Dieter sagt: "Da wird das Kuchenstück immer größer."

Einmal jährlich veranstalten die Motorrad-Freunde auch eine mehrtägige Reise, im vergangenen Jahr waren sie eine Woche lang in der Steiermark unterwegs. Sie waren aber auch schon in Südtirol oder in der Toskana. Bei den monatlichen Treffen berichten sie zudem von großen Touren durch das ferne Ausland. Edward war in Thailand. Roger war 16 Tage lang in den Pyrenäen. Jürgen war auch schon in Thailand, er sagt trotzdem: "In den USA sollte man mal gefahren sein."

Gerne hätte die Gruppe neue Mitglieder, "aber Nachwuchs suchen wir nicht", sagt Dieter. Er findet, dass das blöd klingt. Ansonsten dürfen Motorradfreunde aus allen Altersklassen mitfahren, häufig nehmen sie auch ihre Söhne mit. "Auch ihnen gefällt das Gemeinschaftsgefühl", sagt Dieter, "jeder hilft immer, weil wir wissen, dass wir auch mal den anderen brauchen."

Gemeinschaft, darum geht es also. Oder doch auch um Motorräder? Dieter erzählt noch eine letzte Anekdote. In der Toskana würden sie einmal von den Carabinieri rausgewunken, schrecklich ernste Gesichter hätte diese gehabt. Um eine Stunde verzögerte sich die Weiterfahrt. Die Polizisten wollten alles über die Motorräder wissen.

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