Starnberg:Blauäugig und schwarzweiß

Zum Auftakt der neuen Kinoreihe "70 Jahre Frieden" sind zwei Nachkriegsfilme mit Hildegard Knef in der Hauptrolle zu sehen, die unterschiedlicher kaum sein könnten

Von Blanche Mamer, Starnberg

Die junge Frau hebt sich ab von der Masse der Flüchtlinge. Sie ist engelhaft schön, hat ein offenes, etwas herbes Gesicht und große blaue Augen. Dass die Augen blau sind, sieht man in dem Schwarzweißfilm "Die Mörder sind unter uns" nicht, der am Sonntag zum Auftakt der vom Starnberger Kulturforum initiierten Reihe "70 Jahre Frieden" gezeigt wurde. Doch man weiß von Hildegard Knefs auffallenden Augen. Sie spielt Susanne Wallner, eine KZ-Überlebende, die ins zerbombte Berlin zurückkehrt. Knefs Styling macht die Figur unrealistisch: Sie trägt Lidstrich, ihre Augenbrauen sind in Form gezupft, die Wimpern schwarz getuscht. Ihre blonden Haare fallen lang und lockig, ihr Mantel ist hell und schick - und das zu Drehbeginn März 1946, als Berlin hauptsächlich aus Trümmern bestand.

Das ist einer der großen Kritikpunkte an Wolfgang Staudtes viel zitiertem ersten deutschen Nachkriegsspielfilm, der für die ernsthafte Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit steht und in Filmotheken als "wegweisend für die realistische Ausrichtung der ostdeutschen DEFA" bezeichnet wird. Im Gegensatz zu Knef ist Wilhelm Borchert als ehemaliger Militärchirurg Mertens abgerissen, meist besoffen und geplagt von schrecklichen Kriegserinnerungen. Man fragt sich, ob die KZ-Überlebende nicht eigene schlimme Erlebnisse zu verarbeiten hat, doch Susanne hat nur ein Ziel, Mertens aus seinem psychischen Elend heraus zu helfen. Wobei sie den Plot herbeiführt, dass Mertens seinen ehemaligen Hauptmann wiedertrifft, der für ein Massaker an Weihnachten 1942 verantwortlich war, aber nun als angesehener Geschäftsmann ohne Schuldbewusstsein in der Nachbarschaft lebt. Es mag ein mutiger Film gewesen sein, doch heute wirkt er auch plakativ und pathetisch.

Ganz anders "Film ohne Titel" von Rudolf Jugert, der im Januar 1948 Premiere hatte. "Ich habe den Film als 16-Jährige gesehen und erinnere mich bis heute . Darum habe ich ihn vorgeschlagen", sagte Politik-Professorin Irma Hanke bei der Einführung. Der Film ist nicht leicht zu bekommen und nur als 35mm-Kopie abspielbar, sagt Kinochef Matthias Helwig. Doch am Ende waren ihm die etwa 30 Zuschauer dankbar, dass er sich die Mühe gemacht hatte, den Film zu organisieren, der in früheren Filmkritiken als einer der "klügsten deutschen Nachkriegsfilme" bezeichnet wird. Es geht um einen Film im Film: "Kann man nach diesem Krieg eine Komödie drehen?" - diese Frage diskutieren der Filmregisseur Peter Hamel, der Drehbuchautor Fritz Odemar und der Schauspieler Willy Fritsch. Sie sitzen in einer ländlichen Idylle, als ein Paar auftaucht, das der Drehbuchautor seit langem kennt: die Bauerstochter Christine Flemming und der ehemals sehr wohlhabende Berliner Kunsthändler Martin Delius. Wieder spielt Hildegard Knef die Hauptrolle, ihr Partner ist Hans Söhnker. Auch aus heutiger Sicht wirken die beiden realistisch: er gebildet, selbstsicher und ironisch, sie bodenständig, freundlich und natürlich. Sie erinnert ihn an die Statue "einer oberrheinischen Madonna aus dem 14. Jahrhundert". Ob das verliebte Paar die Figuren für einen Film abgibt? Die Filmemacher diskutieren mehrere Varianten. Der Regisseur möchte ein tragisches Ende, der Schauspieler ein Happy End. Der Autor befragt Martin und Christine - und alles wird gut. Das pointenreiche Drehbuch stammt von Helmut Käutner, bei dem Jungert zuvor als Regieassistent gearbeitet hatte. Es hat sich gelohnt, den halben Sonntag im Kino zu sitzen. Wiederholt werden die Filme in Seefeld, am Ostersonntag, um 11 und 14.45 Uhr.

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