Starnberg:Aufruf zur Menschlichkeit

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Der Wiesn-Pfarrer Rainer Maria Schießler erinnert die Starnberger CSU bei ihrem "politischen Ascherdonnerstag" an das vierte Gebot, die Barmherzigkeit. Doch die Forderung nach einer Obergrenze in der Flüchtlingsfrage verstummt trotzdem nicht.

Von Max Hempel, Starnberg

Selbstkritisch statt angriffslustig hat sich die Starnberger CSU heuer präsentiert. Anders als die meisten anderen Parteien und Ortsverbände in Bayern entschieden sich die Starnberger, trotz des Zugunglücks in Bad Aibling, nicht auf ihren so genannten " politischen Ascherdonnerstag" zu verzichteten. Und der Andrang im Söckinger Opatija-Grill war enorm. Einige mussten stehen, weil es nicht genügend Stühle für alle gab. Das ist neu. Aber auch, dass sich die Christsozialen dieses Mal politische Seitenhiebe und Rundumschläge verkniffen und statt dessen lieber die eigenen Positionen kritisch beleuchteten. Die Frage, ob die CSU gemäß ihrem Motto noch immer "näher am Menschen" ist, beschäftigte in diesen Tagen viele in der Partei - besonders vor dem Hintergrund, dass jede Woche so viele Flüchtlinge nach Deutschland und in den Landkreis kommen.

"Wir haben jede Woche Zank und Streit. Auf Bundes-, Landes- und Lokalebene. Nun wollen wir uns einmal wieder auf das Wesentliche der Fastenzeit besinnen und eine gewisse Innenschau betreiben", kündigte der Ortsvorsitzende Stefan Frey bei der Begrüßung an. Deshalb sei das Treffen trotz der schlimmen Geschehnisse von Bad Aibling gerechtfertigt.

Gastredner war der Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler, den meisten besser bekannt als seelsorgende Wiesenbedienung und Querdenker in der katholischen Kirche. Er sollte an diesem Abend diese Innenschau an Hand christlicher Werte betreiben. "Nur zuhören - dafür könnt ihr auch am Sonntag in die Kirche gehen", erklärte Schießler seinem Publikum. Er wollte die Auseinandersetzung, die Kontroverse und die Diskussion. Mit vielem, das er an diesem Abend sagte, lag Schießler nicht auf gleicher Linie mit den Standpunkten der CSU. Doch gerade deshalb versuchte er mit seinen Geschichten und Forderungen die Leute zum Nachdenken anzuregen. Die Geschichten die er erzählte, sei es nun von der Wiesen, "wo ich den härtesten Job kennengelernt habe", oder aus den Flüchtlingslagern im Libanon, für die er sein Wiesengeld im vergangenen Jahr gespendet hatte, stellten immer einen Aspekt in den Vordergrund: die Menschlichkeit. Denn die dürfe, bei allen politischen Konflikten die gerade von der CSU ausgefochten werden, nicht verloren gehen, betonte er.

Und als Schießler plötzlich das Bild eines vierjährigen Mädchens in einem österreichischen Flüchtlingslager zeigte, wurde es im Saal auf einmal ganz still. "Ja, wir brauchen eine Obergrenze. Aber die wird es nie geben, weil es nun mal keine Obergrenze für Menschlichkeit gibt", machte der Pfarrer seinem Publikum klar und erinnerte an das vierte Gebot, die Barmherzigkeit: "Du sollst Fremde beherbergen."

Schießler appellierte mit seinen Worten an das "C" in CSU. Ihm sei natürlich klar, dass in der Politik nicht immer alles so möglich sei, wie er es fordere. Dennoch müsse man weiter machen und alle Leute hineinlassen, die vor den Grenzen auf unseren Schutz hoffen, sagte er.

Bei seinen Zuhörern stieß er damit auf große Bedenken. Das Beispiel Schweden, das jahrelang die Türen für Flüchtlinge öffnete und jetzt mit ernsthaften Problemen zu kämpfen habe, beweise doch, dass eine Politik ohne Obergrenzen gar nicht möglich sei, fand eine Zuhörerin. Schießlers Antwort: "Weitermachen - auch wenn es weh tut und Misserfolge gibt." Nur so ließen sich am Ende Ängste abbauen und nur so könne Integration gelingen - "näher am Menschen" eben. Ob er mit diesem Appell am Ende überzeugen konnte, bleibt fraglich. Ein CSU-Mitglied hielt die Idee von Schießler, einfach alle aufzunehmen, für "naiv".

Der Ortsvorsitzende Frey ging in seiner Einschätzung nicht ganz so weit: "Für mich hat Pfarrer Schießler ein Idealbild gezeichnet, an dem wir uns orientieren sollten, das aber so natürlich nicht umsetzbar ist." Allerdings seien die Probleme die der Geistliche angesprochen habe und die Ansichten die er vertrete, ein gutes Leitbild für die zukünftige Politik innerhalb der CSU, so Frey. Trotzdem stehe die Position seiner Partei in Bezug auf die momentanen politischen Themen nach diesem Abend nicht in Frage.

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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