Aktion Stadtradeln:Auf zum Endspurt

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Bis zum Samstag läuft das Stadtradeln noch. Während viele Bürger begeistert mitmachen, ist das Interesse unter den Kommunalpolitikern eher verhalten. Dabei ist unbestritten: "Wer oft Rad fährt, sieht mehr"

Von Christiane Bracht, Starnberg

Am Stadtradeln scheiden sich die Geister. Die einen finden es vollkommen überflüssig, wenn nicht sogar unsinnig. Die anderen sind begeistert, fühlen sich motiviert, möglichst viele Wege mit dem Rad zurückzulegen. Manche haben sogar missionarischen Eifer und versuchen, andere davon zu überzeugen, bei der Aktion mitzumachen. Doch was sind die Beweggründe für die eine oder andere Position? Die SZ sprach mit einigen Stadtradlern und Nicht-Stadtradlern darüber.

Schon drei Mal gewonnen

Annemarie Pentenrieder, 58 Jahre, aus Wangen: "Ich beweg mich einfach gern, deshalb erledige ich eigentlich alle Fahrten mit dem Rad. Es ist so schön, mit dem Rucksack Richtung Wildmoos zu fahren, an der Würm entlang, wo es so gut riecht und in Starnberg einzukaufen. Erstens nimmt man nicht so viel mit und dann genieße ich die Freiheit, wenn ich mit dem Rad einfach an den Autos vorbeifahre, die in Percha Nord in der Schlange stehen. So fünf Mal die Woche radel ich die Strecke. Und einmal im Jahr geht's mit dem Rad zur Arbeit nach Fürstenfeldbruck, aber das ist eine große Herausforderung. Jedes Jahr wird es schwieriger. Etwa 200 Kilometer habe ich heuer schon für das Stadtradeln gesammelt. Das ist aber gar nichts im Vergleich zu meinem Mann. Er ist der aktivere. Wir machen schon seit sieben Jahren bei der Aktion mit. Aufgekommen ist es als Wangen 1000 Jahre alt wurde. Wir sind eine gute Truppe aus etwa 25 Radlern. Und wir sind stolz darauf, das Team mit den meisten Teilnehmern zu haben. Meistens erreichen wir einen der vorderen Plätze am Ende. Drei Mal haben wir schon einen Preis gewonnen und waren gemeinsam in der Cantina Pizza essen.

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(Foto: Nila Thiel; .)

Alle sind für bessere Bedingungen im Verkehr, auch Maria Wiedemann.

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(Foto: Nila Thiel)

Radfahren eint irgendwie, egal ob Stadtradler mit Vorbildfunktion wie Richard Siebler...

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(Foto: oh)

... oder Mountainbiker wie Korbinian Heinzeller.

Die Aktion motiviert einen einfach, sich öfters auf den Sattel zu schwingen. So sind wir letzte Woche schon nach Weilheim gefahren. Es ist ein gutes Gefühl sich nicht ins Auto setzen zu müssen und dabei noch Benzin zu sparen.

Wen ich aber beim Stadtradeln vermisse ist der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC). Ich würde mir wünschen, dass er mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen an vorderster Front mitmacht. Er hat schließlich die Möglichkeit Verbesserungen für Radler in die Gremien einzubringen. Die Stadtradler können nur Ideen sammeln. Und in Starnberg gibt es wirklich noch Einiges zu verbessern. Zum Beispiel fehlt ein Radweg von Starnberg zum Paradies in Possenhofen. Dort ist so viel Durchgangsverkehr, der eigentlich oben über Pöcking fahren könnte. Auch den Rundweg um den See könnte man optimieren, wenn die Anliegergemeinden zusammenhelfen würden."

Politiker müssen Flagge zeigen

Richard Siebler, 50 Jahre, Gemeinderat aus Krailling: "Vor einigen Jahren habe ich schon mal beim Stadtradeln mitgemacht. Dieses Jahr fand ich, ein Team "Gemeinderat" ist eine gute Idee. Der Preis von 2000 Euro, den der Landrat heuer dafür ausgelobt hat, spielt dabei keine Rolle. Es ist doch so: Wenn alle überparteilich für den guten Zweck Kilometer sammeln, kann ich mir schon vorstellen, dass wir als Vorbild wirken. Wir haben in Krailling ja einige Radler im Kommunalparlament. Aber bis jetzt bin ich der einzige im Team. Das habe ich mir besser vorgestellt, aber vielleicht kommt Veronika Sanftl (CSU) ja doch noch dazu. Das Problem ist natürlich auch, dass einige Gemeinderäte schon in anderen Mannschaften mitfahren. Die Bürgermeisterin habe ich bis jetzt nicht fürs Stadtradeln gewinnen können, ich hab es aber auch noch nicht ernsthaft versucht. Ich dachte, es reicht, wenn in der Sitzung auf die Aktion hingewiesen wird und dann noch mal in einer Mail. Manche haben es wohl trotzdem übersehen. Jetzt ist es eigentlich fast schon zu spät, aber ich werde meine Lehre für nächstes Jahr daraus ziehen. Denn es ist wichtig, dass die Kommunalpolitiker Flagge zeigen und selber radeln. Der Zeitrahmen ist zwar sehr kurz, aber es ist besser als nichts. Ziel muss es natürlich sein, die Leute dauerhaft aufs Rad zu bringen. Ich mache im Würmtal fast alles mit dem Rad, auch im Winter. Dafür habe ich sogar ein eigenes Rad mit Spikes geleistet. Es hat mich bei Glatteis nämlich schon zwei Mal geschmissen. Dass wir so viele Radler im Gemeinderat haben, hatte auch schon Vorteile. Wir konnten einiges bewirken - zum Beispiel den Radweg ins Gewerbegebiet KIM hinaus und der Radstreifen an der Staatsstraße entlang. Es ist schon so: Wer oft Rad fährt, sieht mehr."

Radlland Bayern

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(Foto: Nila Thiel)

Was ist ein Fahrradschutzstreifen? Dürfen Autofahrer darüber fahren oder ist das verboten? Wo gibt es eine Benutzungspflicht für Radwege, wo nicht? Verkehrsschilder und Regeln für Radfahrer haben sich im Laufe der Zeit verändert. Es gibt inzwischen viel mehr Straßenverkehrszeichen und auch welche, die es vor ein paar Jahren noch gar nicht gab. Manch einen Radler oder Autofahrer verunsichern oder verwirren die Neuerungen. Deshalb hat das Staatsministerium des Innern jetzt unter dem Motto "Radlland Bayern" eine Wanderausstellung konzipiert, in der all dies erklärt wird. Anlässlich des Stadtradelns ist sie derzeit im Kraillinger Rathaus zu sehen. Auf etwa einer Handvoll Tafeln werden Schilder und Verkehrsregeln noch einmal anschaulich erklärt. So kann man dort sehen, dass es einen Unterschied zwischen Radfahrstreifen (durchgezogene Linie am Straßenrand) und Fahrradschutzstreifen (gestrichelte Linie am Fahrbahnrand) gibt. Letzteres ist eine Neuerung, die sich schnell im Landkreis verbreitet hat. Viele befahrene Straßen sind zu schmal für Radwege, deshalb hat man einen Schutzstreifen aufgemalt, wie etwa auf der Gautinger Straße in Krailling. Der muss nach etwa einem Jahr schon erneuert werden. Der Leser erfährt auch, dass es rund 72 Millionen Räder in Deutschland gibt und dass jeder damit durchschnittlich 40 Kilometer pro Jahr zurücklegt. In Bayern will man Radler bis 2025 so fördern, dass sie 20 Prozent der Verkehrsteilnehmer ausmachen. 123 Fernrouten gibt es derzeit im Freistaat auf einer Länge von 9000 Kilometern. Wer interessiert ist, kann auch ein Handbuch bekommen. "Vielleicht kann man mit dem Wissen Unfälle verhindern", hofft der Umweltbeauftragte von Planegg Roman Brugger. Er hat die Ausstellung ins Würmtal geholt. Ursprünglich sollte sie im Planegger Rathaus gezeigt werden, doch das ist derzeit anderweitig belegt. cb

Radfahren ist Entspannung

Maria Wiedemann, 50 Jahre, aus Starnberg: "Ich bin Radlerin aus Überzeugung. Aber das Stadtradeln ist mir zu viel Tamtam. In meinem Geschäft bin ich den ganzen Tag mit buchhalterischen Dingen beschäftigt, da will ich in meiner Freizeit nicht auch noch Schriftverkehr haben. Ich weiß, dass man alles ganz einfach im Internet eintragen kann, aber dazu muss ich zusätzlich dran denken. Letztes Jahr war ich nah dran, beim Stadtradeln mitzumachen, das muss ich zugeben. Dann hab' ich zwei mal was eingetragen und beim nächsten Mal wieder nicht dran gedacht. Es ist einfach nichts für mich, obwohl ich die Statistik wahrscheinlich verbessern würde. Aber Radfahren ist meine Entspannung. Da will ich an nichts denken müssen. Das Ziel vom Stadtradeln finde ich aber total gut. Ich bin ein großer Befürworter von mehr Radlern in der Stadt. Ich selbst bewege mich hier auch am liebsten mir dem Rad, schwinge mich zum Beispiel für alle Besorgungen auf den Sattel, wie den Weg zum Arzt oder auch berufliche Dienstfahrten. "

Die Schüler sind begeistert

Korbinian Heinzeller, 34 Jahre, Lehrer am Starnberger Gymnasium: "Es ist jetzt das fünfte Mal, dass ich die Gymnasiasten zum Stadtradeln animiere. Vor allem die jüngeren Klassen sind begeistert dabei. Jeder Klassensprecher bekommt von mir am Anfang drei Listen, in die er die Kilometer der Mitschüler eintragen muss. Jede Woche sammle ich eine ein und trage sie ins Internet ein. Das klappt ganz gut - auch wenn der Rücklauf manchmal etwas länger dauert. Große Überzeugungsarbeit muss ich bei den Schülern nicht leisten. Erstens kommen die meisten ohnehin mit dem Rad zum Unterricht. Das zeigt schon der riesen Radlkeller, der immer voll ist. Ich lebe ihnen auch das Radfahren vor. Das motiviert die Jugendlichen. Sie sehen mich, fast jeden Tag in der Stadt oder wie ich mit dem Rad zur Schule komme. Privat bin ich begeisterter Mountain-Biker. Am liebsten fahre ich steile Pisten hinab. Adrenalin gehört natürlich dazu. Auf Elba bin ich schon die Weltcup-Strecke gefahren, nicht auf Zeit einfach aus Spaß und ohne Shuttle hoch. Die Regel ist einfach: Wenn die Wellen zu klein sind zum Surfen, fahre ich Rad - zum Beispiel mit dem Rennrad am Atlantik. Unter unseren Jungs sind übrigens auch viele Mountainbiker. Früher sind sie am liebsten am Dirt Park gefahren. Jetzt ist er gesperrt. Wir tauschen uns aber immer noch aus.

Beim Stadtradeln sind aber genauso viele Mädchen dabei. Insgesamt machen so um die 500 Jugendliche mit, aber es ist schon noch Luft nach oben. Dem Radverkehr müsste mehr Raum gegeben werden. Es ist sehr schade, wie mit den Radlern umgegangen wird. Nicht nur, dass es viel zu wenig Radwege gibt in Starnberg. Sie sind oft zugeparkt oder gar verbaut ohne jede Markierung. An der Hanfelder Straße und B2 kann man fast nicht fahren, weil der Verkehr so dicht ist. Ich würde mir wünschen, dass es hier weniger Autos gäbe."

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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