Starnberg:Auf Gehweg überfahren

23-Jähriger steht wegen versuchten Mordes vor Gericht

Von andreas salch

Augenzeugen zufolge müssen sich am 22. Mai vergangenen Jahres in der Hanfelder Straße Szenen abgespielt haben, die an einen Gangsterfilm erinnern. Ein schwarzer Pkw fährt ungebremst mit einer Geschwindigkeit von rund vierzig Kilometern in der Stunde von der Straße auf den Gehsteig. Der Fahrer des Kleinwagens steuert allem Anschein nach gezielt auf einen Fußgänger zu. Es kommt zur Kollision. Das mutmaßliche Opfer wird durch die Luft gegen einen etwas oberhalb des Gehweges befindlichen Zaun geschleudert, von dem prallt er ab und rollt die Böschung wieder hinab an den Straßenrand. War der Pkw-Fahrer von der Straße abgekommen und mit dem Fußgänger zusammengestoßen, weil er abgelenkt war? Nein, sagte am Montag eine Erzieherin aus Pöcking vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II. "Ich hatte sofort das Gefühl, dass es Absicht war", sagte die Zeugin bei ihrer Vernehmung. Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Fahrer des Kleinwagens Anklage unter anderem wegen versuchten Mordes erhoben.

Der mutmaßliche Täter ist von Beruf Einzelhandelskaufmann. Staatsanwältin Constanze Schneider wirft dem 23-Jährigen vor, er habe den Fußgänger um jeden Preis stoppen wollen. Das angebliche Motiv für die Tat? Es könnte nichtiger kaum sein. Der Fußgänger, ein 32 Jahre alter in München lebender Asylbewerber, hatte im Geschäft des Vaters des Angeklagten gut zwei Monate zuvor eine Flasche Wodka gestohlen. Der Preis: 13,99 Euro. Dem 32-Jährigen gelang es zu fliehen. An jenem 22. Mai vergangenen Jahres soll der Einzelhandelskaufmann ihn jedoch am frühen Nachmittag in der Hanfelder Straße von seiner Wohnung aus auf dem gegenüberliegenden Gehweg erkannt haben. Der Angeklagte lief daraufhin auf die Straße und stellte den 32-Jährigen zur Rede. Kurz zuvor hatte dieser eine Frau nach dem Weg zum Krankenhaus gefragt. Da er glaubte, der Einzelhandelskaufmann sei deshalb eifersüchtig auf ihn, entschuldigte er sich bei ihm, ging auf die andere Straßenseite, lief weiter stadtauswärts und wollte so einem Streit aus dem Weg zu gehen.

Doch der Angeklagte machte kehrt. Er rannte zu seiner Wohnung, wo er sich sofort in seinen Pkw setzte und dem 32-Jährigen nachfuhr. Da dieser Musik hörte und Kopfhörer trug, merkte er nicht, wenn sich ihm ein Auto von hinten näherte. Noch in der Hanfleder Straße erblickte der Einzelhandelskaufmann das mutmaßliche Opfer. Laut Angaben von Zeugen soll sich sein Auto komplett auf dem Gehweg befunden haben, als er auf den Asylbewerber zusteuerte. Dabei sei sein Wagen "nochmals schneller" geworden, berichtete eine Zeugin vor Gericht. Bremslichter habe sie keine gesehen, sagte sie. Nachdem der Pkw den Fußgänger erfasst hatte, habe sie gedacht, er sei tot, so die Frau.

Zum Auftakt der Verhandlung machte der Einzelhandelskaufmann selbst keinerlei Angaben zu den Vorwürfen aus der Anklage. Über einen seiner drei Verteidiger ließ er erklären, er habe nicht die Absicht gehabt, den 32-Jährigen zu töten. Er sei kein guter Autofahrer und habe lediglich die "Kontrolle über sein Fahrzeug verloren, nachdem ein Reifen geplatzt" sei. Durch die Kollision und den Sturz erlitt der Fußgänger Kopfverletzungen, Prellungen, Abschürfungen sowie eine Fraktur des linken Knöchels. Auch wenn der Mann großes Glück hatte, waren die Verletzungen "potenziell lebensgefährlich", so die Staatsanwaltschaft. Der Prozess wird fortgesetzt.

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