Starnberg:Auf Achse

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Johannes Zeitlmann fährt den Shuttlebus, der während des Festivals Besucher kostenlos von Starnberg nach Herrsching bringt. Seit 2011 hat er 12 500 Kilometer abgespult

Von Gerhard Summer, Starnberg

Der Kleinbus war randvoll mit Fracht, aber ein Passagier sollte noch mit: ein gutmütig wirkender, älterer Herr. Chauffeur Johannes Zeitlmann kam schnell auf eine Lösung, er hat nun mal Sinn fürs Praktische: Der Fahrgast musste ein Paket auf den Schoß nehmen. Half halt nichts. Der Mann war trotzdem blendender Laune und erzählte auf der ganzen Fahrt Witze auf Schwyzerdütsch. Wer das war? Filmemacher Fredi M. Murer, "ein ganz ein lieber Mensch".

Zeitlmann hat viele solcher Geschichten auf Lager, schließlich ist er seit 2011 der Mann, der während des Fünfseen-Filmfestivals am meisten auf Achse ist. Er bedient die Shuttlebus-Route von Starnberg über Seefeld nach Herrsching und transportiert alles, was von A nach B muss: Toilettenpapier, Poster, Programme, Prospekte und Festivalbesucher. Früher musste er noch die "saumäßig schweren" 35-mm-Filmrollen mitnehmen, die im Bus gern "anfingen, Schlitten zu fahren". Inzwischen gibt es das Ganze auf Festplatte, Zeitlmann muss nun eher aufpassen, dass er die Dinger nicht verliert. Für Zuschauer, die nach einem Kinodrama in Tränen aufgelöst sind, hält er Kleenex-Tücher bereit. Gelegentlich nimmt er auch besondere Passagiere mit wie Murer oder holt Filmleute vom Hotel ab. Aber in aller Regel hat er es mit ganz regulären Besuchern zu tun. Einmal sollte er zwei Damen mit der "letzten Fuhre nachts um halb eins" zu ihrem Auto am Hallenbad Starnberg bringen. Als der Bus den Beachclub passierte, sprach Zeitlmann: "Da war ich noch nicht drin, aber ihr seid ja noch jung." Die Antwort war schlagfertig: "Vielen Dank, machen Sie bitte, wenn wir aussteigen, kein Licht an."

Zeitlmanns Arbeitszeit an den zwölf Tagen des Kinoevents geht jeweils von 16.30 bis 24.30 Uhr. An die 12 500 Kilometer dürfte er schon im Dienste des Festivals abgespult haben. Das entspricht in etwa der Entfernung zwischen Starnberg und Phnom Penh. Oder fast der Distanz zwischen Herrsching und Papua-Neuguinea. Was den 61-jährigen Zeitlmann kalt lassen dürfte, der ehemalige Fotograf gehört nämlich zu den Globetrottern. Im Auftrag des Flugzeugbauers Dornier mit Sitz in Oberpfaffenhofen und damals 4000 Mitarbeitern war er so gut wie überall: auf Guadeloupe und Martinique, in Venezuela, Nigeria, China, den USA. Zeitlmann machte Passbilder für Visa des Vorstands und fotografierte Flugzeuge über den Wolken und im Schnee. 22 Jahre war er bei Dornier und leitete die Fotografieabteilung, doch 2002 war Schluss: Fairchild Dornier stellte Insolvenzantrag. Zeitlmann kam auf die Idee, sich selbständig zu machen. Er entschied sich für die Thermografie, absolvierte einen Lehrgang in Dresden, kaufte sich eine teure Ausrüstung und gründete das Unternehmen Geo-Phot. Damit war er im Landkreis der Pionier an der Wärmebildkamera und untersuchte in Starnberg alle öffentlichen Gebäude auf Energieverluste hin.

Seinen Firmensitz hatte Zeitlmann vormals über einem Modeladen neben dem Starnberger Breitwand. Er teilte sich einen Parkplatz mit Kinochef Matthias Helwig, irgendwann kamen die beiden ins Gespräch, Zeitlmann erzählte, dass er mit der Thermografie vorwiegend im Winter beschäftigt sei. Und Helwig, auch er Pragmatiker, kam zu dem Schluss: "Da hast du ja im Sommer Zeit". Das war im Mai 2011, seitdem ist Zeitlmann der Shuttlebus-Chauffeur, heuer zum sechsten Mal in Folge. Manchmal, sagt er, "denke ich mir, nächstes Jahr machst du mal Pause. Aber ab April packt's mich wieder". Der einzige Nachteil: Während des Fests schafft er es nicht ins Kino, "das ist der Preis".

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