Sexuelle Belästigung:Asylhelfer sind wachsam

Nach den Vorfällen in Köln wird auch im Fünfseenland das Thema sexuelle Belästigung diskutiert. Das Landratsamt verteilt Flyer mit Verhaltensregeln. Anzeigen wegen Übergriffen gibt es bislang keine

Von Christine Setzwein, Starnberg

Männer dürfen Frauen nicht schlagen, nicht seelisch misshandeln, und sie dürfen keine sexuelle Gewalt ausüben. Das gilt für alle Männer, die hier leben, auch für Flüchtlinge aus afrikanischen und arabischen Ländern. Im Fünfseenland gab es - bis auf einen Fall in Pöcking, wo sich ein mittlerweile abgeschobener Mann aus dem Kosovo Frauen genähert hat - bisher keine sexistischen Übergriffe von Asylbewerbern, Landratsamt und Helferkreise sind seit der Silvesternacht in Köln trotzdem wachsam.

"Es wird was getan", sagt Landratsamts-Sprecher Stefan Diebl. Freilich nicht erst seit Silvester. In der Gleichstellungsstelle gibt es seit November einen zweiseitigen Willkommens-Flyer in Arabisch, Deutsch, Englisch, Russisch und Türkisch, der sich an Frauen und Männer wendet. Darauf stehen nicht nur die Grundrechte "Die Würde des Menschen ist unantastbar" und "Männer und Frauen sind gleichberechtigt", sondern auch ganz konkrete Werte des Zusammenlebens wie der Verzicht auf Gewalt oder das Recht der Frauen, sich zu kleiden wie sie wollen. Auch freizügig, was aber keinesfalls als Aufforderung an Männer zu sexuellen Äußerungen oder Handlungen zu verstehen sei. Diesen Flyer können alle Asylhelferkreise verteilen. Aber dabei will es das Landratsamt nicht belassen. Diebl kündigt ein Konzept an, "das tiefer geht". Darin soll zum Beispiel verglichen werden, wie sich Männer und Frauen üblicherweise in den Heimatländern der Flüchtlinge verhalten und wie es bei uns läuft.

In Tutzing hat das Team Asyl vom Landratsamt in der Zeltanlage zwei Workshops für die Asylbewerber veranstaltet. Es ging allgemein darum, "wie man in Deutschland lebt", sagt Roswitha Goslich vom Ökumenischen Unterstützerkreis Tutzing. Aber natürlich wurde auch über Verhaltensregeln Frauen gegenüber gesprochen. 232 Asylbewerber leben momentan in Tutzing, 123 allein in der Zeltstadt. Sie kommen aus Afrika, Afghanistan und Syrien. Es habe einen Fall gegeben, in dem ein Mann "zu aufdringlich" gewesen sei, allerdings habe es sich dabei nicht um einen Übergriff gehandelt, sagt Goslich. In den Helferkreisen, die sich um viele junge Männer kümmern, ist Fingerspitzengefühl gefragt. Eine 20-jährige Studentin, die sich engagieren wollte, "haben wir natürlich nicht zu dem Standort mit 35 jungen Männern geschickt", erklärt Goslich. Sie half mit bei der Betreuung von fünf jungen Mädchen. Goslich. "Wir teilen das schon so ein." Zu den Männern gehen die "gestandenen Frauen". Gerade ältere Frauen würden von den Flüchtlingen "sehr respektvoll" behandelt. Nach den Kölner Übergriffen werde man die Stimmung im Ort aber genau beobachten, sagt Goslich. Und der Punkt Sexismus werde beim nächsten Helfertreffen thematisiert.

Das wollen auch die Seefelder tun. An diesem Sonntag kommt ein Dolmetscher mit zu dem Treffen im Hechendorfer Bürgerstadl, sagt Johanna Senft von der Agenda Integration und Asyl. Dann könnten die 40 jungen Männer aus Eritrea, Somalia und Mali auch ihre Meinung zu den Übergriffen kundtun. Bisher sei Sexismus in Seefeld kein Thema gewesen, sagt Senft. Ziel sei es, den Flüchtlingen beizubringen, "wie unsere Gesellschaft tickt". Respekt, Höflichkeit, Sauberkeit und vor allem Pünktlichkeit seien wichtig. Um den Asylsuchenden diese Werte beizubringen, seien Flyer viel zu theoretisch, findet Senft. Paten dagegen hätten sich "sehr bewährt". Alle Bewohner haben eine "Family", die ihnen im Alltag zur Seite stehen.

Wachsam ist auch die Polizei. Nach den Übergriffen in Köln "werden wir jeden noch so kleinen Vorfall an die Staatsanwaltschaft weiterleiten", sagt Bernd Matuschek, Leiter der Polizeiinspektion Starnberg. Selbst, wenn es sich nur um Mutproben oder Dumme-Junge-Streiche handeln sollte. Anzeigen wegen sexueller Übergriffe von Flüchtlingen seien bisher nicht erstattet worden.

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