Starnberg:Als in Steinebach die Kelten siedelten

Eine Ausstellung belegt, dass am Wörthsee vor mehr als 2000 Jahren Eisen und Glasschmuck produziert wurden.

Christine Setzwein

Nennen wir sie Sotia. Sotia steht früh auf, die Sonne ist gerade aufgegangen. Sie streift sich ihr Schlauchkleid über und befestigt es an den Schultern mit Fibeln. Bevor sie das Frühstück zubereitet für ihren Mann - nennen wir ihn Dullavius -, streift sie ihren Armring aus leuchtend blauem Glas über und die Fingerringe aus Sapropelit. Auch Dullavius macht sich fertig, zieht Hose und Oberhemd an und wirft die Manteldecke über, die er mit einer Fibel schließt. Schwert, Helm und Schild baucht er heute nicht, Scharmützel sind nicht zu erwarten. Dullavius muss zur Arbeit: Er wird an diesem warmen Sommertag Münzen prägen.

Wörthsee Kelten

Hinterlassenschaften der Kelten in der Nähe von Starnberg.

(Foto: Georgine Treybal)

So könnte es gewesen sein vor 2200 Jahren auf dem Hügel über dem Wörthsee. Es könnte aber auch ganz anders gewesen sein. Denn über das Leben der Kelten gibt es keine schriftlichen Zeugnisse. Nur aus schriftlichen Überlieferungen durch griechische und römische Schriftsteller wissen wir etwas über die Kelten. Und durch archäologische Funde, wie sie seit 1949 in Steinebach auftauchen. Der Dießener Magnus Kaindl hat sich mit diesen Funden intensiv beschäftigt und sie in einer Magisterarbeit ausgewertet. Die Ergebnisse und die interessantesten Fundstücke sind noch bis 20. Februar in einer Ausstellung im Rathaus in Steinebach zu sehen.

"Gallien in seiner Gesamtheit ist in drei Teile gegliedert: in dem einen leben die Belgier, im zweiten die Aquitanier und im dritten die Völker, die in der Landessprache Kelten heißen, bei uns jedoch Gallier." So beginnt der römische Feldherr Gaius Julius Caesar seine Aufzeichnungen über den Gallischen Krieg (58 bis 51 vor Christus). Und so beginnt auch die Ausstellung in Steinebach.

Auf sechs großen Schautafeln können die Besucher eintauchen in den "Mythos Kelten", ihr Leben am Wörthsee, erfahren etwas über die keltische Siedlungslandschaft von den großen Oppida wie Manching über Großsiedlungen wie die in Steinebach bis zu den Viereckschanzen wie in Gilching. Nach den Funden der vergangenen Jahre sind sich die Archäologen und das Landesamt für Denkmalschutz sicher, dass in Steinebach in der Mittellatènezeit (260 bis 100 vor Christus) Eisen und Glasschmuck produziert und Münzen geprägt wurden. Davon zeugen die Eisenfibeln, die Glasperlen und Glasringe, Münzen, Messerklingen, Angelhaken und Nähnadeln, die der Ackerboden in Steinebach freigab.

In den sechziger Jahren tauchte im See sogar ein Eisenschwert auf. Die Experten nehmen an, dass die Siedlung rund 25 Hektar groß war und zwischen 300 und 1500 Menschen beherbergte. Vieles an keltischer Geschichte wird ein Geheimnis bleiben. Für das Landesamt und die Archäologen gilt, Bodendenkmäler vor ihrer Zerstörung als Archiv im Boden zu bewahren. "Obwohl es uns natürlich schon manchmal in den Fingern jucken würde, mehr über die Kelten zu erfahren", sagt Kaindl. Der 30-Jährige widmet sich nun seiner Promotion. Thema: das Ingolstädter Becken in der Zeit vom 8. bis 5. Jahrhundert vor Christus.

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