Kunst:Elche und schräge Vögel

Die letzte Nah-Fern-Ausstellung dieses Jahres im Kulturbahnhof Starnberg ist ein wahres Gipfeltreffen der komischen Kunst: Sieben Meister der Satire stellen in der Schalterhalle aus

Von Armin Greune, Starnber

g - Es herrscht so ein Gedränge, dass man sich um einige Exponate ängstigen muss - die drei schrägen Vögel von Heidi Müller etwa, die mitten im Raum auf einem Tablett von der Decke hängen. Allerdings tragen zwei so furchterregende Gebisse im Gesicht, dass sie durchaus in der Lage scheinen, sich zur Wehr zu setzen. Eine bunte Menagerie ist um die mehr als 100 Menschen in der Schalterhalle des Bahnhofs am See versammelt: Man kann dort skurrilen Fantasiewesen begegnen, aber auch vertrauten Lebensformen. Das geht dann von herzigen Kätzchen bis zum Krokodil, das von einem Nilpferd serviertes Menschenhirn löffelt.

Der gewaltige Andrang am Donnerstagabend zur Eröffnung der Ausstellung "Satire und Alltag" ist verständlich: Es ist schon ein kleines Wunder, dass es den Kuratorinnen Katharine Kreye, Ulrike Prusseit und Ursula Steglich-Schaupp gelungen ist, in Starnberg ein wahres Gipfeltreffen zum Thema komische Kunst auf die Beine zu stellen. Mit Ernst Kahl, Michael Sowa und Rudi Hurzlmeier sind gleich drei Künstler anwesend, die für ihr Lebenswerk mit dem "Göttinger Elch" ausgezeichnet wurden, der wohl höchsten Ehrung, die einem für Satire und komische Kunst widerfahren kann. Eine derartige Dichte an Elchträgern zu versammeln gelingt wohl sonst nur den Caricatura-Museen Frankfurt oder Kassel.

Selbst wer die Namen dieser Maler und Zeichner nicht kennt, ist bestimmt schon ihren Werken begegnet: Auf Postkarten, Buchtiteln oder als seitenfüllende Illustrationen in "Titanic" und anderen Magazinen und Zeitschriften. Karikaturen kann man das meist nicht mehr nennen - zu komplex, zu fein ausgearbeitet sind die farbigen Tableaus; zu subtil oder brutal oder obszön ist der Witz, den sie ausstrahlen. Was auf den ersten Blick eine harmlose Kinderbuchillustration zu sein scheint, entpuppt sich etwa bei Sowa als "Putin schlägt die schwule Agentenqualle mit dem Schwert". Hurzlmeier zeigt mit "Ich Tarzan, du Isolde" eine Szene, die sich nebenan im königlichen Wartezimmer zugetragen haben könnte: Ludwig II. posiert in Dessous vor dem Spiegel, während ihn Richard Wagner am Piano mit "Yeah, Yeah!" anfeuert. Ein fiktiver Buchtitel von Kahl zeigt besagtes Krokodil am Esstisch und ist mit "Wild und Wilde - Ein Jagdroman aus Deutsch-Ostafrika" überschrieben. So ähnlich sich Themen und Bildinhalte sind, hat doch jeder Künstler seine eigene Handschrift: Sowa orientiert sich nah am romantischen Realismus, Kahls Charaktere sind eher parodistisch angelegt und Hurzlmeier deckt das ganze Spektrum vom doppelbödig-niedlichen Tierbild bis zur karikierenden Strichzeichnung ab. Und alle drei haben einen ausgeprägten Hang zum Perfektionismus: Für Axel Hacke ist Sowa ein "Übermaler", unter dessen Bildern sich bis zu zehn ältere Versionen verbergen. Kahls "Jagdroman" ist im Ausstellungsportfolio noch mit einem Eisbecher anstelle des Hirns und ohne Worte abgebildet.

Im Kulturbahnhof zeigt sich zudem, dass auch die Lebenspartnerinnen der "Elche" köstliche Happen komischer Kunst zu servieren verstehen. Eva Muggenthaler ist mit Kahl und der gemeinsamen Tochter aus Husum angereist: Die erfolgreiche Kinderbuchillustratorin hat unter anderem eine hinreißende Parodie einer Kubismusausstellung mit kubistischen Besuchern beigesteuert. Stefanie Gritz-Sowa aus Berlin hat schon als Kostümdesignerin, Dozentin, Illustratorin und Regisseurin gearbeitet - nun widmet sie sich vor allem ihrer "Upcycling Art": In Starnberg ist der "Blumenmädchenchor" aus Plastikflaschen und anderem Abfall zu sehen. Ihr Minimonster "Uwe" scheint weitläufig verwandt mit Heidi Müllers schrägen Vögeln. Auch zur dritten vertretenen Künstlerin findet sich ein prominenter Lebenspartner, der gleichfalls ausstellt: Ali Mitgutsch konnte als Einziger krankheitsbedingt nicht zur Vernissage kommen.

Starnberg: BHF Schalterhalle Satire & Alltag

Skurrilen Fantasiewesen: Stefanie Gritz-Sowas "Uwe".

(Foto: Thiel)

Von ihm sind sieben "Traumkästchen" aufgehängt, inszenierte Miniaturen in Dioramen, die Titel tragen wie "Besitz frisst manchmal Liebenswichtiges". Seine Skizzen für ein Märchenbuch stellen gar eine "Weltpremiere" in Starnberg dar, sagte Steglich bei der Einführung. Doch der zusätzlichen Attraktion hätte es gar nicht bedurft: Was da sonst zur 23. Nah-Fern-Ausstellung zu bewundern und zu belachen ist, rechtfertigt ohnehin fast jeden Anreiseweg - selbst von der dänischen Grenze.

"Satire und Alltag" ist bis 20. Dezember freitags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Starnberg: BHF Schalterhalle Satire & Alltag

Meister der Satire: Ernst Kahl.

(Foto: Nila Thiel)
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: