Genetische Analyse bestätigt::Es war der Wolf

  • Ein Wolf hat Anfang April in Münsing im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen vier Schafe gerissen.
  • Die Ergebnisse genetischer Untersuchungen haben das Tier, das aus einem Rudel aus den Alpen stammen soll, nun überführt.
  • Schafhalter in der Region sind alarmiert, Almbauern fürchten um ihr Vieh.

Von Claudia Koestler und David Costanzo, St. Heinrich

Er kam in der Nacht - und am Morgen waren vier junge Schafe tot. Ein Halter aus dem Münsinger Ortsteil Sankt Heinrich hatte seine verendeten Tiere Anfang April entdeckt. Alle Kadaver hatten Bissspuren. Nun ist sich das Landesamt für Umwelt sicher: Das Tier, das die Lämmer gerissen hat, war tatsächlich ein Wolf. Das haben genetische Untersuchungen der Speichelspuren ergeben. Der Wolf ist in der Region angekommen.

Wildtierexperte Ulrich Wotschikowsky sieht sich bestätigt. Er hatte die Schafe begutachtet und keine Zweifel gehabt, dass ein Wolf sie gerissen hatte. Das Tier stamme aus einem Rudel aus den Alpen, das meldet auch das Landesamt für Umwelt. Viel mehr ist allerdings noch nicht bekannt - etwa, ob es ein Rüde oder eine Wölfin ist, aus welchem Rudel das Tier stammt. Offen ist auch die Frage, ob das Tier weiter gewandert ist - Wölfe können in einer Nacht mehr als 50 Kilometer zurücklegen - oder sich vielleicht noch in der Region aufhält. Wotschikowsky würde zum Beispiel auch gerne wissen, ob es das gleiche Tier war, das Ende Februar bei Oberammergau gesichtet worden ist.

Ludwigsthal: Wölfe im Bayerischen Wald / Nationalparkzentrum Falkenstein

Sichtungen gab es in der Region immer wieder. Jetzt aber ist zweifelsfrei bewiesen: Der Wolf ist im Landkreis angekommen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Das Tölzer Landratsamt will am Freitag erklären, wie Bürger vorgehen sollen, wenn sie das Raubtier sehen und die Beobachtung melden wollen - und wie sie sich verhalten müssen. Wanderer müssten sich nun aber nicht sorgen, das erklären Wotschikowsky und alle anderen Experten. "Der Wolf schaut, dass er dem Menschen aus dem Weg geht", sagt etwa Josef Brunner, Vorsitzender der Jagdkreisgruppe Wolfratshausen. "Er hat eine gute Nase. Meist kommt er den Menschen gar nicht so nah." Auch die Umweltbehörde beruhigt. Für den Menschen sei das scheue Tier in aller Regel ungefährlich. "Seit der erneuten Anwesenheit von Wölfen in Deutschland hat es keinen Angriff auf Menschen durch Wölfe gegeben", heißt es in der Mitteilung

Die Sichtungen

Beweise für den Wolf in der Region gab es bislang nicht, aber Beobachtungen: Anfang April erkannten zwei junge Männer ein Exemplar im Scheinwerferlicht ihres Autos, als sie zwischen Mooseurach und der Staatsstraße 2370 bei Beuerberg unterwegs waren. 2014 wurde ein Wolf im Kreis Erding gesichtet, 2015 je einer in Miesbach und einer in Ebersberg, der zwei Schafe gerissen hatte und per Gentest überführt wurde. Im März 2016 tappte ein Wolf im Kreis Starnberg in eine Fotofalle. In Deutschland leben seit 1996 wieder Wölfe, vor allem im Osten. Zuletzt waren 46 Rudel und 15 Paare bekannt. In den Alpen leben rund 40 Rudel mit bis zu 250 Tieren, von denen immer wieder einzelne Exemplare nach Norden wandern, meist junge Rüden auf der Suche nach Territorium. sz

Sollte man dennoch einmal einem Exemplar gegenüberstehen, ergreife es nicht immer sofort die Flucht. Oft ziehe sich das Tier langsam und gelassen zurück. Dann sollte man nicht weglaufen, sondern sich langsam zurückziehen. Etwas anders lautet der Rat an Hundehalter. Experte Wotschikowsky sagt nämlich: "Es kann sein, dass sich der Wolf für den Hund interessiert." Nach dem Motto: "Da läuft ja ein Kollege herum." Dann könnten Herrchen und Frauchen klatschen oder den Wolf anschreien, um ihn zu vertreiben. In Ostdeutschland gebe es Erfahrungen mit solchen Annäherungen. Bislang sei der Wolf dem Hund gegenüber nie aggressiv aufgetreten.

Wolf Geschichte

Jäger Josef Brunner hat bereits zuvor Wölfe im Kreis gesichtet. Nun gibt es dafür einen Beweis.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Auf keinen Fall sollten Neugierige einem Wolf hinterherlaufen oder ihn gar füttern. Denn dann gewöhne er sich an die Nähe und komme womöglich auf Menschen zu. Die Tiere sind streng geschützt und dürfen nicht gejagt werden.

Künftig sei mit immer mehr Wölfen zu rechnen, erwartet Wotschikowsky. "Ich habe das Gefühl, das wird ein Wolfsjahr." Im Bayerischen Wald gebe es ein junges Paar, auch im oberpfälzischen Grafenwöhr. Das Tier verbreite sich genau so, wie erwartet. Zum Problem könne das nur für Schafhalter werden. Unter ihnen sei die Aufregung nach der Sichtung in Münsing groß gewesen. Sie müssten ihre Herden mit einem einen Meter hohen Zaun schützen, der eng am Boden anliegt oder eingegraben ist und am besten unter Strom stehen sollte.

"Leider Gottes ist jetzt eingetreten, was wir befürchtet haben", sagt Georg Mair aus Gaißach zur Ankunft des Wolfes im Landkreis. Der Vorsitzende des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern macht sich große Sorgen, wie er und seine Kollegen ihre Weidetiere schützen können. "Ohne Umzäunung wird es nicht gehen, sagen Experten, doch wie soll das in steilem, alpinen Gelände auf felsigem Untergrund funktionieren?" Der Zaun müsse zusätzlich gegen Untergrabung tief in die Erde gesetzt werden. Bei rund 20 000 Hektar Almweiden wären das rund 6000 Kilometer Zaun. Auch Herdenschutzhunde sind für ihn keine Lösung. "Unsere Almen stehen ja in touristischen Gebieten. Wir müssten also die Wanderer vor den Hunden schützen", sagt Mair. Er sieht deshalb nur eine Möglichkeit: Almgebiete zu wolfsfreien Zonen zu erklären. "Es darf keine Rudelbildung geben, und wenn er auftaucht, müssen wir ihn vergrämen dürfen."

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