Soziales Engagement:Puppen fürs Vogtland

Wörthsee RH Ritter der Plauener Tafel

Die "Ritter der Tafelrunde" (v.l.): Margit Voigt, Katrin Elias, Christel Muggenthal, Ursula Spatschek, Horst Voigt sowie Konstanze und Rudolf Schumann.

(Foto: Nila Thiel)

Die Wörthseerin Ursula Spatschek sammelt seit 15 Jahren Spielsachen und Kleidung, um sie in ihren früheren Heimatort Pausa zu schicken. Zusammen mit ihrem Ehemann wird sie von der Arbeitsloseninitiative Sachsen ausgezeichnet

Von Christine Setzwein, Wörthsee

Die Ernennung zum Ritter kommt heutzutage eher selten vor, die Zeiten von König Artus und seiner Tafelrunde sind Legende. Aber es ist noch gar nicht so lange her, da wurden Ursula und Horst Spatschek geadelt: Die Wörthseer sind seit 2015 "Ritter der Plauener Tafelrunde". Die Arbeitsloseninitiative Sachsen hat damit das Engagement des Ehepaars für Bedürftige im Vogtland geehrt. Eine Abordnung des Vereins mit Geschäftsführerin Konstanze Schumann an der Spitze kam jetzt zum ersten Mal nach Wörthsee und wurde am Mittwoch auch von Bürgermeisterin Christel Muggenthal empfangen.

Seit mehr als 15 Jahren sammelt Ursula Spatschek Kleidung und Spielsachen für Menschen in ihrer früheren Heimat Pausa im Vogtlandkreis. Aus Verbundenheit mit den Vogtländern - "sehr tüchtige Leute" - und weil sie nach der Wende gesehen hat, wie die Menschen in den neuen Bundesländern mit einem Mal vor dem Nichts standen. 1958 war die damals 22-Jährige über Westberlin nach Bayern gekommen. Ihre Eltern hatten in Pausa eine kleine Mälzerei. Weil ihre zwei Brüder im Krieg gefallen waren, sollte sie den Familienbetrieb übernehmen. Sie machte eine Ausbildung zur Brauerin und ihren Meister, arbeitete bei der Berliner Kindl-Brauerei und wollte eigentlich zurück in ihre Heimat. Doch ihr Vater riet ihr ab, sie solle in den Westen. Spatschek bekam eine Anstellung bei der Riegele-Brauerei in Augsburg, wo sie ein Labor aufbaute. Bis es sie schließlich nach Wörthsee verschlug, ihre zweite Heimat. Dazwischen lebte sie zehn Jahre lang mit ihrem Mann in Afrika, der dort als Entwicklungshelfer tätig war. Dort, gerade als sie zurückfliegen wollte, erfuhr sie, dass die Mauer fiel. "Ich konnte es nicht glauben", erinnert sie sich. Kaum zu Hause angekommen, reiste sie nach Berlin. "Ich habe vor Freude nur noch geweint."

Das böse Erwachen kam nach der Wende. "Den Menschen im Osten ging es schlecht, die Arbeitslosigkeit war hoch." Ursula Spatschek wollte helfen. Also fing sie an, Kleidung und Spielsachen zu sammeln. Auf den Wertstoffhöfen sammelte sie alte kaputte Puppen ein und reparierte sie ebenso wie beschädigte Kleidung - "aus Wertschätzung für meine Freunde". Pro Jahr schickte sie auf eigene Kosten etwa acht 25 Kilogramm schwere Pakete an die Initiative im Vogtland, zweimal im Jahr packte sie ihr Auto voll, wenn sie Verwandte besuchte. Bald 82 Jahre alt, hat sie ihr Engagement jetzt ein wenig zurückgefahren.

Konstanze Schumann, damals Textil-Betriebswirtin, gehört zu den ersten, die nach der Wende entlassen wurden. "Wir haben für Neckermann und Quelle produziert. Das alles wurde nicht mehr gebraucht." Auch die Maschinenbauindustrie brach zusammen. Schumann: "Viele junge Menschen gingen in den Westen." Jetzt fehlt eine Generation, heute herrscht wie überall ein Fachkräftemangel, und es gibt viele Langzeitarbeitslose. 1991 wurde die Arbeitsloseninitiative Sachsen gegründet. Heute betreibt der Verein ein "Soziales Kompetenzzentrum" in einem eigenen Haus in Plauen mit Kleiderkammer, Tafel und Tagestreff mit Suppenküche. Langzeitarbeitlose werden in den verschiedenen Projekten beschäftigt. Etwa 25 Prozent der Tafel-Kunden sind Flüchtlinge. "Wir haben keine Probleme damit", sagt Schumann, "bei uns bekommen Menschen aller Couleur etwas." 700 Lebensmittelkörbe werden pro Woche ausgegeben. Täglich kommen zwischen 70 und 80 Kunden in die Kleiderkammer.

Bürgermeisterin Muggenthal war beeindruckt von der Initiative. "Bei uns hört man von Sachsen immer nur, wenn die AfD aufmarschiert und nicht, wie viele tolle Projekt es dort gibt." Das sind "echte Kämpfer", sagt Ursula Spatschek und bedauert, dass es nicht mehr menschliche Beziehungen zwischen alten und neuen Bundesländern gibt. Aber es bestünden immer noch zu viele Vorbehalte auf beiden Seiten. Gemeindepartnerschaften könnten sie abbauen. Wörthsee und Pausa zum Beispiel sind etwa gleich groß.

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