Soziale Verantwortung:Kaum Platz für Obdachlose

Mögliche Unterkunft für Obdachlose

Fünf Schlafräume, Küche, Bad: Die neue Unterkunft in der Gautinger Straße in Krailling.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Gemeinden haben immer größere Probleme, Unterkünfte für Menschen ohne festen Wohnsitz bereit zu stellen. Sie sind auf teure Pensionen angewiesen. Krailling ist es nun gelungen, ein Haus neu einzurichten.

Von Christine Setzwein, Carolin Fries und Blanche Mamer, Krailling/Seefeld/Gauting

Die Küche ist neu, aber "die Ausstattung ist alles andere als Luxus", sagt Kraillings Geschäftsleiter Franz Wolfrum. Und doch hat sich die Gemeinde mit dem schmucklosen, spärlich ausgestatteten Haus in der Gautinger Straße 2a einen "lang gehegten Wunsch" erfüllt. Die gemeindeeigenen Immobilie dient seit diesem Winter Obdachlosen als Unterkunft. Damit ist der Kommune im Würmtal gelungen, wonach sich viele Gemeinden im Landkreis sehnen.

Arbeitslosigkeit, Trennung vom Partner, Krankheit, Sucht, psychische Störungen, Mietschulden - es gibt viele Gründe, warum Menschen obdachlos werden. Manchmal ist es ein schleichender Prozess, manchmal kann es sehr schnell gehen, etwa wenn die Wohnung ausbrennt. Zuständig für die Unterbringung von Obdachlosen sind die Gemeinden. Eine Aufgabe, die immer schwieriger wird im teuren Fünfseenland. Sind schon bezahlbare Wohnungen für Geringverdiener rar, sind es Obdachlosenunterkünfte noch mehr.

Dazu kommt, dass viele gemeindeeigene Wohnungen auf Jahre belegt sind, weil die Untergebrachten "keinen eigenen Antrieb mehr haben", sich um eine andere Bleibe zu kümmern, wie Stefanie Kalchschmidt vom Seefelder Sozialamt sagt. Deshalb bleibt vielen Gemeinden nichts anderes übrig, als auf häufig überteuerte Pensionen auszuweichen.

Die Gemeinde Seefeld etwa bringt obdachlose Menschen in einer angemieteten Wohnung in Hechendorf, in einem Hotel in Fürstenfeldbruck, einer Pension in Aubing und beim Alten Wirt in Hechendorf unter. Dafür entfielen 2017 Kosten in Höhe von knapp 10 000 Euro. Für die Seefelder Gemeinderäte hat Kalchschmidt Zahlen gesammelt: Danach waren im vergangenen Jahr 13 Personen im Rahmen der Obdachlosenfürsorge untergebracht, neun Männer und vier Frauen, der jüngste Obdachlose war ein Jahr alt, die älteste 52. Die Obdachlosen stammten aus Deutschland, der Türkei, England, Eritrea, und Kosovo.

In diesem Jahr seien es jetzt schon acht Obdachlose, sagte Kalchschmidt. Auch anerkannte Flüchtlinge zählen zur potenziellen Klientel, weil sie oft nur befristete Mietverträge bekommen. Ist es ihnen gelungen, eine Wohnung zu finden, aus der sie später wieder ausziehen müssen, dürfen sie nicht mehr zurück in die Containeranlagen der Regierung. Stattdessen sind sie als normale Obdachlose zu behandeln.

Zahlen und Vorschriften hin oder her: Seefeld braucht so schnell wie möglich Obdachlosenunterkünfte. So liegen laut Kalchschmidt im Rathaus schon jetzt etwa 50 Anträge auf Wohnberechtigungsscheine, der Gemeinde werden immer mehr Räumungsklagen mitgeteilt, die Mieten steigen weiter. Und das Haus in der Stampfgasse muss eigentlich abgerissen werde, so marode ist es.

Fiktionen gibt es bereits: Wenn eine Obdachlosenunterkunft in Seefeld gebaut wird, dann "menschenwürdig" - aber ungemütlich. Tisch, Stuhl, Bett und Schrank, dazu eine Gemeinschaftsküche, "damit sich die Leute nicht zu wohl fühlen und sich um eine Wohnung bemühen", sagt Rathaus-Geschäftsleiter Fritz Cording. Da fallen den meisten Container ein, "aber ich kann keine Container mehr sehen", erklärte Gemeinderat Sebastian Haberkorn (CSU). Dann ein ganz einfaches billiges Haus bauen ohne jeden Luxus. "Dafür müssen die gleichen Vorschriften eingehalten werden wie für eine Villa", meinte Peter Schlecht (FWG). Ein altes Haus, das notdürftig hergerichtet werden könnte, so wie in Krailling: Das würde Bürgermeister Wolfram Gum am besten gefallen.

Dort habe sich "eben die Möglichkeit ergeben", sagt der Kraillinger Geschäftsleiter Wolfrum lapidar. Tatsächlich liefen die Vorbereitungen seit fast einem Jahr. Im März 2017 hat der Gemeinderat in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen, dem Mieter der gemeindeeigenen Immobilie zu kündigen. Das Blaukreuz-Haus, eine Einrichtung zur Betreuung suchtkranker Menschen nach Entzug, hat im Juli eine neue Bleibe im Kreuzweg in Stockdorf bezogen.

Die fünf Schlafräume sind inzwischen voll besetzt, aktuell sind zehn Personen untergebracht. Die Arbeiterwohlfahrt München leistet fünf Stunden in der Woche eine Sozialberatung. Offiziell bekannt ist die Einrichtung noch nicht, erst an diesem Dienstag wird der Gemeinderat über eine Benutzungssatzung sowie über eine Gebührensatzung abstimmen, die sich laut Wolfrum an jene der Unterkunft in Planegg anlehnen soll. Geplant ist, dass Bewohner einen Tagessatz von fünf Euro bezahlen.

Auch in Gauting ist man bemüht, eine neue Unterkunft einzurichten. Die völlig maroden und heruntergekommenen Holzhütten an der Forstkastenstraße am Waldrand zu Stockdorf sind aufgelöst,neun alleinstehende Obdachlose und eine Familie mit drei Kindern sind aktuell in einem Hinterhaus in der Ammerseestraße untergebracht. In dem gemeindeeigenen Gebäude mit einfachen Wohnungen gibt es weitere Räume, die bis vor wenigen Monaten noch von der Musikschule und dem Gartenbauverein genutzt wurden und nun leer stehen. Diese würden nun saniert, sagt Rathaus-Sprecherin Charlotte Rieboldt, und für weitere Wohnungslose bereit gehalten.

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