Söcking:Den Ex-Chef im Visier

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50-Jähriger aus Söcking muss sich wegen Schüssen auf Familienvater und Brandstiftungen vor Gericht verantworten.

Andreas Salch

Vor einem Jahr hatte der 50-jährige Mann die Menschen im Starnberger Ortsteil Söcking in Angst und Schrecken versetzt. Der alleinstehende Zimmerergehilfe, der dort als "Sonderling" galt, zog nachts mit einem Kleinkalibergewehr bewaffnet los und hatte offenbar nur ein Ziel vor Augen: sich an seinem ehemaligen Chef zu rächen. Der, so glaubte er, habe ihn angezeigt, weil er oft nebenher schwarz arbeitete. Seit Dienstag muss sich der Söckinger vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II wegen versuchten Mordes verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm zudem vor, für eine Serie von Brandstiftungen in Söcking verantwortlich zu sein. Viermal soll der Zimmerergehilfe Feuer gelegt haben. Glücklichweise entstand nur Sachschaden, verletzt wurde niemand. Dafür hätten die Schüsse, die der Mann aus seinem Kleinkalibergewehr feuerte, einem 45-jährigen Familienvater fast das Leben gekostet. Erst schoss der Söckinger zweimal auf die Autos vor dessen Anwesen, weil er glaubte, dass sein früherer, heute 68 Jahre alter Chef dort wohnt. Doch der hatte das Haus an die Familie des 45-Jährigen vermietet. In den Abendstunden des 11. Februar schlich sich der Täter dann unbemerkt in der Dunkelheit an das Haus heran. Den Ermittlungen zufolge sprayte er mit einer Spraydose das Wort "tot" an eine der Wände, legte sein Gewehr an und schoss durch ein Fenster in einen hellerleuchteten Flur. Dort stand in jenem Augenblick der 45-jährige Familienvater. Das Geschoss durchschlug eine Doppelscheibe, prallte an der Oberkante eines Türstocks ab und blieb im Flur liegen. Aus Angst vor weiteren Anschlägen zog die Familie vorübergehend aus und suchte Zuflucht in einer Pension. Als Staatsanwältin Kristina Karbach die Anklage verlas, grinste der 50-Jährige oft und nickte, so als wolle er bestätigen, was man ihm vorwirft. Über seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Peter Pospisil, räumte er die Schüsse auf den Familienvater und dessen Autos ein. Allerdings habe er nicht auf den Mann gezielt, sondern auf eine Wand. Sein Mandant habe gedacht, so Pospisil, dass sein früherer Chef in dem Haus wohne. Mit den Schüssen habe der Angeklagte diesen "lediglich erschrecken" wollen. Zu den Brandstiftungen gab der Verteidiger keine Erklärung ab. Der Söckinger geht seit fast 15 Jahren keiner Arbeit mehr nach. Seit Ende der 90er Jahre habe er sich ausschließlich um seine kranken Eltern gekümmert und sie gepflegt, berichtete der 50-Jährige. Sein Vater sei vor zehn Jahren, die Mutter vor zwei Jahren gestorben. Deren Tod habe er nur schwer verwinden können. Deshalb habe er zu trinken begonnen. Nach dem Tod der Eltern fing der 50-Jährige außerdem an, sich selbst mit einem Messer zu verletzten. Die Asche seiner Mutter bewahrte er in einer Urne im Haus seiner Eltern auf, in dem er lebte. "Ich wollte meine Mutter im Haus haben", sagte der 50-Jährige. "Wenn ich traurig war, habe ich die Urne aus dem Schrank genommen und angeschaut." Der Prozess dauert an.

Söcking Einschußloch und Wandschmierereien am Haus St.Stephan-Str. 7 (Foto: STA)
© SZ vom 08.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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