Seminar in Planegg:Jo-i-ri-du-i-rei-a-ho

Jodeln als Generationen verbindende Gaudi: Die Musikerin und Moderatorin Traudi Siferlinger vermittelt in einem Kurs der Volkshochschule weit mehr, als nur stimmhaftes Aneinanderreihen von Silben.

Von Carolin Fries, Planegg

Für Catherine Lodge aus Hadern ist es schon das sechste Jodelseminar. Die 69-jährige gebürtige Britin hat das stimmige Aneinanderreihen von Silben vor 14 Jahren für sich entdeckt. "Es tut der Seele gut", sagt sie. Meistens jodelt sie, wenn sie abends nicht einschlafen kann. "Das ist wie Meditation." Am liebsten aber jodelt sie zusammen mit anderen und unter der Anleitung von Traudi Siferlinger. Also sitzt die Frau aus Hadern an diesem Donnerstagabend im Pfarrzentrum Sankt Elisabeth in Planegg in einer der Stuhlreihen. Knapp 40 Frauen und eine Hand voll Männer haben sich für den eineinhalbstündigen Kurs der Volkshochschule Würmtal angemeldet und zwölf Euro bezahlt. Sie kommen aus dem Würmtal, aber auch aus Aubing, München, Puchheim oder Wolfratshausen. Geübte wie Catherine Lodge sind die Ausnahme. Die meisten Teilnehmer sind blutige Anfänger.

Alt und Jung üben das Jodeln; Im Planegger Pfarrsaal

Und jetzt alle: Mehr als 40 Teilnehmer wollen mit Traudi Siferlinger das Jodeln lernen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Traudi Siferlinger, 52, pinkfarbenes T-Shirt, blumiger Rock, Pferdeschwanz, ist es recht: "Musikalisch ist jeder. Das erste, was der Mensch macht, wenn er auf die Welt kommt: Er lässt einen Schrei." Sie sagt das im reinsten Bairisch, das so erfrischend klingt wie ein Glas perlender Prosecco. Seit etwa zehn Jahren bietet die Moderatorin und Musikerin Jodelseminare an. "Ich möchte vor allem jenen in der Stadt, die ursprünglich vom Land kommen, wieder ein Heimatgefühl geben", sagt sie. Die Nachfrage ist groß, die Kurse im Hofbräuhaus sind nicht selten mit 80 Teilnehmern ausgebucht. Warum die Leute kommen? Eckhardt Kugler aus Krailling singt regelmäßig im Chor, auch mal den Andechsjodler. "Ich will meine Stimme stärken", sagt er. Cosima Kögl, mit 18 Jahren die jüngste Teilnehmerin, ist mit ihrer Cousine Sophie Leutenstorfer, 26, aus Gauting vorbeigekommen. Die Neugier hat die Waldorfschülerin und Musikwissenschafts-Studentin getrieben.

Alt und Jung üben das Jodeln; Im Planegger Pfarrsaal

Jodellehrerin Traudi Siferlinger.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die ersten Silbenfolgen beschreiben den Schuidirndl-Jodler, eine fröhliche, schwungvolle Melodie. Siferlinger singt häppchenweise vor, die Gruppe hinterher. Robert Voit, 69, aus Planegg stöhnt. "Wenn es wenigstens einen Text gäbe." Sich reine Silbenfolgen zu merken fällt nicht nur ihm schwer: "Jo-i-ri-du-i-rei-a-ho, Dri-e-ho-la-rei-a-ho, dri-e-ho-la-rei-a-ho." Die Höhe der Tonlage zeigt Siferlinger mit der rechten Hand an. Die ersten Kursteilnehmer zücken verzweifelt die Mobiltelefone, um mit der Hilfstechnik abzuspeichern, womit das Hirn offenbar überfordert ist. Traudi Siferlinger bitte darum, die Telefone wieder wegzustecken. Ganz am Schluss seien Tonaufnahmen möglich, dann gebe es auch die Noten zum Kurs.

Alt und Jung üben das Jodeln; Im Planegger Pfarrsaal

Verteilt werden die Noten zu den gelernten Jodlern immer erst zum Schluss - auch den "Schuidirndl-Jodler"

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Sie sortiert die Sänger nach Stimmlage, lässt sie singend durch den Pfarrsaal spazieren, es dauert nicht lange und das erste Stück schwingt dreistimmig durch den Raum. Geht doch! Eine ältere Dame ist ganz aus dem Häuschen und umarmt eine jüngere Frau, die neben ihr steht. "Das ist so toll", schwärmt sie. Es folgt ein Jodlerkanon, der unter anderem wie der Schaukampf zweier Gockel einstudiert wird: Die erste Stimme steht mit geschwellter Brust der zweiten Stimme gegenüber, die Arme kampfeslustig in die Hüfte gestimmt. Dann stampft man aufeinander zu.

Zwischendurch erzählt Siferlinger von der Bruststimme und der Kopfstimme und davon, wie sie einmal in einem Kuhstall gejodelt hat, wo es dann plötzlich "mucksmausalstad" gewesen sei. Grundsätzlich würde überall auf der Welt gejodelt, wo es Berge gibt, weil man sich über den Singsang bestens in aller Kürze verständigen könne. Ihr Beispiel-Jodler geht so: "Bist Du dahoam?" Antwort: "Heut auf'd Nacht ned." Als sie eine kurze Pause für die Stimmbänder vorschlägt, lehnen die Teilnehmer ab; sie wollen weitersingen. Siferlinger stimmt einen " melancholischen Jodler" an, der allen ein Lächeln auf das Gesicht zaubert, weil er mit der mit einem getragenen "Weil I di mog" endet. Ein älterer Herr äußert Zweifel, ob man diese Sympathiebekundung denn auch singen könne, ohne bei oder dem Besungenen ernsthafte Absichten zu haben. Traudi Siferlinger muss herzhaft lachen. "Sie wissen ja noch gar nicht, wen Sie da besingen", entfährt es ihr. Der Jodler heiße "Schweinsbeuschel" und: "Sie besingen das Lüngerl von der Sau". Ach so. Allgemeine Freude, zumindest bei jenen, die wissen, was ein Lüngerl ist.

Den ganzen Abend über gibt niemand zu, dass er den Dialekt und die Kursleiterin nicht oder nur teilweise versteht. Lediglich eine Frage wird recht bald gestellt: Ob diese Silbenreihungen denn etwas bedeuten? "Na. Des bedeit gar nix", sagt die gebürtige Chiemgauerin. Jodeln sei einfach nur Gaudi. Apropos: Jetzt alle runter auf den Kirchplatz, die Nacht ist lau. Im Halbkreis aufgestellt erheben die Teilnehmer zum Stundenschlag der Turmglocke ihre Stimmen. Die Pfarrjugend, die sich zufällig an zwei Tischen vor der Kirche getroffen hat, stimmt prompt mit ein. "Ich habe das Gefühl, alle sind glücklich", sagt Siferlinger später, als sie zusammen mit Karola Albrecht nach einem Termin für einen Jodelkurs im Advent sucht.

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