Seefeld:"Wir können nur als Fachklinik überleben"

Laparoskopiesystem an der Chirurgischen Klinik Seefeld

Die Chirurgische Klinik Seefeld ist zwar technisch und personell gut aufgestellt, aber das Defizit treibt Chefärztin Regine Hahn um.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Regine Hahn, die Ärztliche Direktorin und Chefärztin der Chirurgischen Klinik Seefeld, über die finanzielle Schieflage, die Stimmung beim Personal und über das Sparpotenzial

Interview von Christine Setzwein, Seefeld

Die Aufregung ist groß im westlichen Landkreis Starnberg, seitdem feststeht, dass die finanzielle Lage der Chirurgischen Klinik nicht so rosig ist, wie sie vom mittlerweile entlassenen Geschäftsführer immer dargestellt wurde. Die Rede ist von einem Defizit in Höhe von 4,5 Millionen Euro. Regine Hahn ist seit Anfang 2014 Ärztliche Direktorin und Chefärztin des kleinen kommunalen Krankenhauses mit 72 Betten. Und sie sieht die Zukunft gar nicht so schwarz.

SZ: Wenn ich Arzt wäre, würde ich Sie jetzt fragen: Na, wie geht's uns denn heute?

Regine Hahn: Und ich würde antworten: Ihnen wahrscheinlich besser als mir. Als ich 2014 in der Seefelder Klinik anfing, war ich eigentlich schon sehr zufrieden, 2015 war ich noch zufriedener. Und jetzt das. Das hat uns alle wie ein Schlag getroffen, das haben wir wirklich nicht erwartet.

Wie sind Sie darauf gekommen, dass etwas nicht stimmt?

Das war ganz banal. Ich wollte - vor allem aus ökologischer Sicht - ein neues Klammernahtgerät anschaffen, das wir für Darmoperationen brauchen. Das gab es bisher nur als Einmalgerät. Jetzt gibt es eines mit Magazin, das man 50 Mal verwenden kann. Das wollte ich bestellen. Aber es hat lange gedauert, darum habe ich immer wieder nachgefragt. Bis es schließlich hieß, dass es gerade schwierig sei. Da bin ich hellhörig geworden und habe intensiver nachgefragt. Und dann ging ja alles ganz schnell.

Als bekannt wurde, dass das Defizit der Klinik hoch ist, haben Sie sofort ein Sparprogramm angekündigt.

Wir saßen plötzlich ohne Geschäftsführer da. Also haben wir eine Task-Force aus Abteilungsleitern gebildet und uns zusammengesetzt. Die tatsächlichen Zahlen haben wir auch erst am Dienstag erfahren. Da hatten wir aber schon Vorstellungen, wo es Einsparpotenziale gibt, zum Beispiel bei den Sach- und Materialkosten, bei den Personalkosten und durch Umstrukturierungen. Für uns alle war und ist wichtig, dass wir an der Qualität der Patientenversorgung nichts ändern wollen.

Die in allen Klinikbewertungen sehr gelobt wird.

Wenn Sie mich vor fünf Jahren gefragt hätten, wie ich mir die optimale Patientenversorgung vorstelle, hätte ich mit Seefeld geantwortet. Wir sind pflegerisch und ärztlich perfekt aufgestellt. Das wünscht sich doch jeder Mensch. Jeder Kranke möchte eine Versorgung auf hohem Niveau. Darum habe ich mich damals in Seefeld beworben. Das Tragische daran ist, dass unser Gesundheitssystem das anscheinend nicht vorsieht.

Können Sie konkrete Sparmaßnahmen nennen?

Wenn wir von den reinen Zahlen ausgehen, sind wir beim Personal nicht weit von der bundesweiten Norm entfernt. Wir haben nur einen Touch mehr. Man kann Schichtsysteme verändern und Prozesse optimieren. In manchen Bereichen geht das besser, in manchen schlechter. Wir haben einen hohen Anteil an Operationen, und im OP brauchen sie mehr Personal. Aber auch dort kann man besser strukturieren.

Aber Sie wollen nicht entlassen, sondern die natürliche Fluktuation nutzen.

Wir haben 135 Vollstellen, insgesamt etwa 170 bis 180 Leute. Wir hatten in den vergangenen Jahren eine natürliche Fluktuation von 16 Vollkräften in allen Bereichen, durch Rente, Mutterschutz, aber auch durch Arbeitsplatzwechsel. Wenn wir 16 Kräfte einsparen könnten, hätten wir den Sparplan schon geschafft. Aber auch im Sach- und Materialkostenbereich gibt es Einsparmöglichkeiten. Darauf haben wir bisher zu wenig geachtet.

Heißt das, Sie konnten aus dem Vollen schöpfen?

In gewisser Weise schon. Wir haben Einkaufsgemeinschaften und Kooperationen mit anderen zu wenig genutzt, weil es vermeintlich keinen Bedarf gab.

Es hat nie jemand gesagt, Vorsicht, das ist zu teuer, geht das auch günstiger?

Nein, nie.

Wie ist jetzt die Stimmung im Haus?

Die Leute sind betroffen, aber auch sehr motiviert. Auch die Patienten stehen zu uns, fragen, was sie tun können. Das spüren die Mitarbeiter auch, sie merken, dass sie vieles richtig gemacht haben. Aber es ist nicht so, dass alle durchs Haus gehen und nur lachen.

Die Klinik Seefeld hat eine eigene Küche. Könnte die ausgelagert werden?

Küche ist natürlich für ein kleines Krankenhaus immer ein Kostenpunkt. Aber wir müssen unsere Patienten natürlich versorgen. Unser Küche beliefert zehn Kindertagesstätten. Sie trägt sich nicht nur selbst, sie verdient auch.

Wie sehen sie jetzt die Zukunft der Seefelder Klinik?

Ich sehe die Situation sehr positiv. Wir haben auf der Einnahmen- und Ausgabenseite Kapazitäten, das eine nach oben, das andere nach unten. Wir können schon 2016 auf der Ausgabenseite sehr viel verbessern. Auf der Einnahmenseite tun wir es schon. Wir hatten 2013 einen Rückgang bei den schweren Fällen. Wir werden ja von den Kassen nicht nur nach Patientenzahl, sondern auch nach Fallschwere vergütet. 2014 und 2015 hatten wir aber wieder einen Zuwachs bei der Fallschwere. Da sind wir auf einem guten Weg. Diese Entwicklung bestärkt mich in der Meinung, dass die Selbstständigkeit und damit die Selbstverwaltung das Ziel dieser Klinik sein muss.

Also keine Zusammenarbeit mit der Kreisklinik in Starnberg?

Ich bin ein absoluter Freund von Kooperationen. Eine Klinik dieser Größe kann aber nur als Fachklinik überleben. Wenn sie mehr Abteilungen hier einrichten wollen, brauchen sie viel mehr Personal, weil ja jeder Fachbereich abgedeckt werden muss, auch am Wochenende. Das ist für mich überhaupt nicht vorstellbar.

Mit der Schindlbeck-Klinik Herrsching kooperieren sie schon lange.

Das funktioniert seit Jahren sehr gut. Wir haben zum Beispiel einmal im Monat eine Tumorkonferenz, bei der wir alle unsere Tumorpatienten besprechen. Hier sitzen die Starnberger Pathologie, die Weilheimer Strahlentherapie, die Herrschinger Onkologie, die Herrschinger Radiologie und wir zusammen. Es gibt eine Kooperation mit einem Labor, mit einem Mikrobiologischem Institut, mit der Pathologie in Starnberg. Selbstverständlich ist Kooperation sinnvoll.

Also doch auch mit dem Klinikum Starnberg?

Ich habe nicht das Gefühl, dass von der Starnberger Seite eine Kooperation gewünscht wird, sondern eine Fusion. Und eine Fusion bedeutet den Verlust der Selbstständigkeit. Dann haben wir keine Möglichkeit mehr mitzugestalten. Einer Kooperation stehe ich absolut offen gegenüber. Wenn wir es schaffen, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen und Synergien zu schaffen, bin ich absolut dafür.

Wo bleibt dann die Schindlbeck-Klinik?

Wir dürfen keinesfalls die Schindlbecker außen vorlassen. Das ist so eine gute Klinik, die von den Patienten akzeptiert wird und uns als kommunalem Haus auch Patienten zuweist. Wir haben fantastische Synergien. Wenn wir das aufgeben, befürchte ich, dass diese Patienten für die kommunalen Kliniken verloren gehen.

Aber Ihre Patienten kommen nicht nur aus dem Landkreis Starnberg.

In meiner Sprechstunde sitzen täglich zwei, drei Patienten aus München, die hier eine Zweitmeinung einholen wollen und sich auch hier operieren lassen. Die bringen natürlich Werbung, denn was sie hier erleben, bekommen sie in keinem städtischen Haus. Und ich höre immer wieder von Patienten, sie hätten sich hier gefühlt wie im Urlaub. Ein größeres Kompliment können sie als Krankenhaus nicht bekommen. Und das soll so bleiben.

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