Seefeld:Unendlich lange fünf Minuten

Crosswalker, Piloxing, Gewichte stemmen: Wer abnehmen und Muskeln aufbauen will, muss seinen inneren Schweinehund überwinden. Ein Besuch im Fitness-Studio

Von Astrid Becker, Seefeld

Viele mögen sich ja am Frühling erfreuen, doch in Wahrheit ist er nur eines: schrecklich. Zu kaum einer anderen Zeit im Jahr offenbaren sich die Sünden der Monate zuvor so sehr wie dann, wenn das Gras auf den Wiesen grüner wird und die Sonne am Himmel den nahenden Sommer verkündet. Sommer. Bikinisaison. Oh Schreck! Vorbei die Zeiten, in denen man überflüssige Pfunde unter dicken Pullis und Wintermänteln tarnen und sich der Illusion hingeben konnte, das fühlbar wachsende Gewicht würde einen ja wenigstens vor der anhaltenden Kälte schützen. Plötzlich steigen die Temperaturen, und der kritische Blick in den Spiegel offenbart die grausame Wahrheit: die Hüften zu rund, der Bauchansatz zu kräftig, die Körperkonturen viel zu schlaff. So jedenfalls erntet man am Seeufer keine begehrlichen Blicke, sondern allenfalls ein angewidertes Nasenkräuseln. Da hilft wohl nur eines: Der Speck muss weg.

Freitagvormittag im Fitnessstudio in Seefeld. Mit dem Werbeslogan "Erlebe Dich neu" begibt sich Life Gym, wie das Studio heißt, nun nicht nur in Stockdorf und Planegg auf Kundenfang, sondern ist seit Januar auch in der Gemeinde am Pilsensee vertreten. Mit klopfendem Herzen und keuchendem Atem hievt man sich also die Stufen in den ersten Stock des Studios in der Hauptstraße hinauf, wo man sogleich von Inhaber Stefan Kürschner in Empfang genommen wird. Und welch Wunder! Der Mann, selbst Sportwissenschaftler, wird angesichts der abzustoßenden Michelinreifen am Leib weder schreckensbleich noch zornesrot, sondern sagt nur freundlich: "Na, dann fangen wir doch gleich mal an."

Sportstudio Life-Gym in Seefeld

Schweißtreibend findet Autorin Astrid Becker Piloxing und Krafttraining.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Was er damit meint, ist erst einmal eine Art Anamnese wie beim Arzt, sprich: Er erkundigt sich nach den Zielen, die einen hierher geführt hätten und nach etwaigen Beschwerden, die es mittels Muskelkraft zu kurieren gelte. In diesem Fall jedoch ist die Antwort auf all seine Fragen ja ganz einfach: "Bikinifigur - und zwar sofort."

Na ja, da muss der Muskelprofi dann doch ein wenig grinsen. Aber die Hoffnung, möglichst schnell mit einem Astralkörper beim anderen Geschlecht und vor dem Spiegel punkten zu können, schwindet trotzdem nicht. Stefan Kürschner jagt einen erst einmal auf den Crosswalker. Nichtwissenden sei hier verraten: Das ist ein besonders merkwürdiges Ding, das sich nicht entscheiden konnte, ob es lieber ein Laufband oder ein Fahrrad werden soll. Jedenfalls schlüpft man mit beiden Füßen in Pedale, die in etwa die Ausmaße von Schneeschuhen einnehmen, und strampelt im Stehen vor sich hin. Fünf Minuten, so meint Kürschner, würden für den Anfang genügen. Weiß der Mann eigentlich, wie lang fünf Minuten sind? Nach einer gefühlten Ewigkeit und der festen Überzeugung, nun mindestens fünf Kilogramm verloren zu haben, die ernüchternde Bilanz: Man hat nicht einmal so viele Kalorien verbraucht, wie in einer Breze stecken. Prima. Daher kennt Stefan Kürschner nun erst recht keine Gnade mehr und schickt einen weiter ins "Piloxing". Ah, denkt man noch, diese komische Trendsportart aus Hollywood, die angeblich so gern Kirsten Dunst betreibt? Die Schauspielerin, die man vor ein paar Jahren in "Mario Antoinette" gesehen hat? Zur Frage, was sich nun eigentlich hinter Piloxing genau verbirgt, kommt es allerdings nicht mehr.

Trainerin Yasmin legt nämlich sofort los. Und schnell wird einem klar, dass es sich dabei um eine Mischung aus Pilates und Boxen, gepaart mit tänzerischen Elementen, handelt. Ganz ehrlich: Die Sache mit den tänzerischen Elementen ist dabei noch das Angenehmste. Kein Wunder, das diene ja auch der Entspannung, wie Yasmin später verrät. Die Pilates- und Box-Elemente allerdings sind schweißtreibend. Aber Sinn und Zweck des Ganzen ist es ja, die Pfunde zu verlieren und den Körper zu straffen. 600 bis 700 Kalorien in 60 Minuten sollen dabei verbrannt werden. Also in etwa eine Portion Schweinsbraten mit Kartoffelknödel. Würde man dazu lieber den etwas kalorienreicheren Semmelknödel essen, müsste man also noch länger mit fiktiven Gegnern kämpfen. Unmöglich, denn eine Stunde ist ziemlich heftig für einen Menschen ohne Kondition. Und dann ist da auch noch die Sache mit der Koordination und der Balance, die es zu beherrschen gilt. "Nach drei Mal weißt du genau, was ich von dir will", sagt Yasmin - und obwohl sie das in einem sehr einfühlsamen Ton sagt, klingt es in diesem Moment wie eine Drohung. Noch drei Mal diesen anstrengenden Wahnsinn mitmachen?

Sportstudio Life-Gym in Seefeld

Stefan Kürschner, Inhaber und selbst Sportwissenschaftler.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Blick fällt in die Runde. Eine Handvoll Frauen hat sich an diesem Tag eingefunden. Nur eine ist sichtbar jünger als man selbst. Trotzdem: Auch die anderen wirken so, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Sie fuchteln im Rhythmus der Musik mit ihren Armen wild um ihren ganzen Körper herum, gleichzeitig müssen sie hüpfen und die Beine nach vorne oder hinten werfen. Es sind einzelne Übungen aus dem Pilates, die sich manchmal auch mit echtem Boxtraining vermischen. Dann zum Beispiel, wenn der eine Arm im rechten Winkel nach oben zeigt, der andere zum Schlag ausholen soll, während die Bewegung der Beine so aussieht, als ob sie sich nach der Stunde in ein unentwirrbares Knäuel verwandelten. Zum Glück passiert dies nicht, so dass auch die Sache mit den Entspannungs- und Dehneinheiten auf der Bodenmatte am Stundenende noch funktioniert. Während sich das Gefühl einschleicht, nun nicht einmal mehr den Gang unter die Dusche zu schaffen, geht es auch schon weiter.

Kürschner ruft an die Geräte. In der sogenannten Stufe eins gehe es dabei vor allem mal darum, die großen Muskelgruppen zu trainieren, die sich quer durch den Körper ziehen, sagt er. Das heißt: Arme, Beine, Rücken und Bauch mit Gewichten malträtieren. Sechs bis acht Geräte für all die genannten Körperteile stehen auf dem Programm. Insgesamt, so sagt Kürschner, sollte man etwa zwei bis drei Stunden pro Woche an den Geräten Muskelkraft aufbauen. Denn ohne sie funktioniere Fettverbrennung nicht. Aus einem einfachen Grund: Die Muskelmasse bestimmt letztendlich, wie viel ein Mensch essen kann ohne zuzunehmen. Gleichzeitig fördere Ausdauertraining die konstante Verbrennung von Fett auch im Ruhezustand. Wer also abnehmen will, müsse beides miteinander kombinieren, sagt Kürschner. Und natürlich auf seine Ernährung achten. Das heißt: Viel frisches Gemüse, Obst, Salat essen, und vor allem abends, beispielsweise nach dem Training, Kohlenhydrate meiden und eher zu Fisch oder Fleisch greifen. Das unterstütze den Aufbau der Muskeln.

Sportstudio Life-Gym in Seefeld

Eine Mischung aus Pilates und Boxen mit tänzerischen Elementen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Noch eines sei besonders wichtig, meint der Trainer: Nicht jeden Tag trainieren, sondern Pausen einlegen - 24 bis 48 Stunden seien vor allem anfangs ideal. Denn der Muskelaufbau geschehe nicht während des Trainings, sondern in den Ruhephasen. Das klingt gut. Bleibt nur noch eines zu wissen: Wann zeigt die ganze Mühe endlich den erwünschten Erfolg? Nach zwei bis drei Monaten merke man definitiv etwas, meint Kürschner.

Das stimmt nicht. Bereits am nächsten Morgen spürt man die Anstrengung am ganzen Leib. Aber da ist noch etwas anderes: Das Gefühl, den inneren Schweinehund überwunden zu haben. Und das ist großartig. Das schöne Wetter kann also getrost kommen - und bleiben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: