Seefeld, Starnberg:Ablenken durch Arbeit

Flüchtlinge helfen als Ein-Euro-Jobber auf dem Wertstoffhof Seefeld oder bei der Heuarbeit in der Maisinger Schlucht mit

Von Lilly Werny, Seefeld, Starnberg

13.55 Uhr auf dem Wertstoffhof in Seefeld: Auf den ersten Blick fallen Momed Fekj und Dawit Sirak nicht auf. Beide tragen ein graues T-Shirt mit dem Awista-Logo auf der Brust und eine knallige, orangene Arbeitshose mit silbernen Leuchtstreifen. An den Füßen haben sie graue Arbeitsschuhe - genau wie alle anderen Mitarbeiter des Seefelder Wertstoffhofes. Sie wirken heiter und offen, sie lachen und sagen: "Servus". Das einzige, was die beiden von den anderen Mitarbeitern unterscheidet, scheinen ihre Hautfarbe und ihr gebrochenes Deutsch zu sein. Und beide haben einen langen Weg hinter sich, bis sie in Deutschland angekommen sind.

Geboren wurden sie in Eritrea. Momed Fekj lebte in Äthiopien und fühlte sich dort wegen seiner muslimischen Religion bedroht. Die größte Glaubensgemeinschaft in Äthiopien sind orthodoxe Christen, gefolgt von sunnitischen Muslimen. Während Demonstrationen kam es 2012 laut der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) zu Polizeigewalt und willkürlichen Verhaftungen von Muslimen. Grundsätzlich herrscht Religionsfreiheit. Fekj sagt, früher habe man friedlich zusammen gelebt, doch das sei heute nicht mehr so. Er erzählt von einem äthiopischen Freund, der mit 15 Jahren aus religiösen Gründen ins Gefängnis kam und dort heute, mit 22 Jahren, noch immer inhaftiert ist.

Was ist in Deutschland anders? Alles, sagen beide. "In Äthiopien gibt es keine Freiheit, keine Pässe und keinen Frieden", sagt Sirak. Er spricht auf Englisch, aber das Wort "Frieden" sagt er auf deutsch. Arbeit hatten die beiden in ihrer Heimat nicht.

Siraks Flucht nach Deutschland hat fünf Monate gedauert. Es war eine Zeit, in der der 20-Jährige sich sehr gefürchtet hat, besonders auf dem Weg durch die unsicheren Regionen der Sahara. Dort gibt es Terroristen, die Fahrzeuge überfallen. Was dann geschieht? Sirak führt seine Hand an die Kehle: Oft werden alle Insassen getötet oder entführt. Fekj hatte ebenfalls große Angst während seiner Flucht. Auf dem Schiff habe es kaum genügend zu essen und zu trinken gegeben.

Nun arbeiten sie vier Mal die Woche als Ein-Euro-Jobber auf dem Wertstoffhof in Seefeld. Im Mai sind sie als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen und leben nun im Bürgerstadl in Hechendorf. Ute Dorschner vom Helferkreis Seefeld hat die Arbeitsplätze mithilfe des Awista und des Landratsamtes organisiert. Fekj und Sirak beteuern, sehr dankbar und froh über den neuen Arbeitsplatz zu sein. Aber nicht wegen des Geldes, sondern wegen der Erfahrung. "So können wir deutsch sprechen und lernen", sagt Sirak. Der Leiter des Seefelder Wertstoffhofes, Ahmed Akgül, versteht kein Englisch, weshalb Fekj und Sirak in der Arbeit fast ausschließlich deutsch reden. Zwei mal wöchentlich nehmen sie zudem an einem Deutschkurs teil.

Die Verständigung klappt gut, sagt ihr Chef. Er ist vollkommen zufrieden mit ihnen, beschreibt sie als fleißige, nette und gute Arbeiter. Auch die anderen Mitarbeiter sehen das so und erzählen, die beiden Neuen wirken sehr dankbar. Dass sie kein Fahrrad haben und jeden Tag etwa 30 Minuten zu Fuß zur Arbeit und wieder zurück müssen, macht Fekj und Sirak scheinbar nicht viel aus. Lediglich bei der Unterbringung gibt es ein paar Probleme, berichten sie: Schließlich teilen sie sich ihren Wohn- und Schlafplatz mit knapp 40 anderen Flüchtlingen. "Es gibt kaum Schlaf", sagt Sirak, weil irgendjemand immer telefoniert oder Musik hört. Doch die beiden scheinen sich nicht beschweren zu wollen. Sie sind froh, dass sie in Deutschland angekommen sind und erst einmal leben können.

Ob sie ihre Familie irgendwann nach Deutschland nachholen, falls sie Asyl bekommen? "Nein", sagt Fekj, der nun nicht mehr lächelt und ernst wirkt. Er hat zwar telefonischen Kontakt zu seinem Vater. Doch der ist gelähmt, was eine Flucht sehr schwierig macht.

Auch bei Heuarbeiten nahe der Maisinger Schlucht haben acht Asylbewerber aus dem Senegal gearbeitet - bei beinahe 40 Grad Celsius. Am blauen Himmel ist kaum ein Wölkchen zu sehen, Schatten gibt es so gut wie nicht. Zum Schutz vor der Sonne tragen die Männer Baseball-Caps, Hüte und Tücher, die sie um ihren Kopf gebunden haben. Sie wischen sich den Schweiß von der Stirn. Mit ihren gelben Rechen häufen sie getrocknetes Gras zusammen, legen es in Planen und ziehen diese den Berg hinauf. Man hört leise Musik, ein Arbeiter summt und singt. Viele lachen, die Stimmung ist gelöst.

Gemeinsam mit Mitarbeitern des Bund Naturschutz Starnberg (BN) haben die Senegalesen kürzlich bei der Biotoppflege geholfen. Irmgard Franken, Vorsitzende der Ortsgruppe Starnberg des BN, und Christoph Bail vom Asylhelferkreis Starnberg haben die Jobs gemeinsam mit vielen anderen Helfern organisiert. "Die Maisinger Schlucht ist ein besonders wertvolles Biotop", sagt Franken. Daher sorgt der Bund Naturschutz Starnberg seit Jahren dafür, dass die Wiesen gemäht und das Heu weg geschafft wird, damit der Blütenreichtum bewahrt wird und sich weiter entwickeln kann. Unterstützung erhält die Organisation vom Landratsamt, das auch die Arbeiter bezahlt. "Das Landratsamt hat unbürokratisch kooperiert", sagt Bail.

Die Gruppe arbeitet schnell und kommt gut voran. am zweiten Tag ist bereits ein Großteil der Arbeit getan. Die Organisatoren sind mit den Helfern sehr zufrieden. Die Asylbewerber sind trotz der Hitze gut gelaunt und dankbar, dass sie arbeiten dürfen. In der Heimat hatten die meisten von ihnen keine Arbeit , sagen sie. Der Job sei eine Gelegenheit, den Staat und die Gesellschaft zu unterstützen. Außerdem denke man bei der Arbeit nicht so viel nach und könne sich ablenken, meinen andere. Die Männer sind gesprächig, sie plaudern auf englisch und lachen viel. Fragt man allerdings nach ihrer Vergangenheit, werden sie zurückhaltend fast schon einsilbig. Über die Probleme in ihrer Heimat und ihre Flucht möchten sie nicht sprechen. Das scheint zu schmerzhaft und zu persönlich zu sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: