Seefeld:Konsum und Randale

Von Matthias Pfeiffer, Seefeld

"Wer alt genug zum Einbrechen ist, ist auch alt genug zum Sterben". Von einem Kolumnisten der österreichischen Kronen Zeitung erwartet man eh wenig, aber dieses Zitat von Michael Jeanné war dann doch eine ganz neue Stufe. Anlass war 2009 der Einbruch eines 14-Jährigen in einen Supermarkt. Der Jugendliche wurde von einem Polizisten erschossen. Mit "Einer von uns" arbeitet der deutsche Regisseur Stephan Richter diesen Fall in intelligenter Weise wieder auf.

Zugegeben, sein Spielfilmdebüt zeigt nichts wirklich Neues, was die Entstehung von Jugendkriminalität angeht - Langeweile und Perspektivlosigkeit münden letztendlich in der Straftat. Wobei die Frage ist, wie weit das im Spielfilm überhaupt möglich ist. Dafür schafft er es, alles auf visuell umwerfende Weise zu inszenieren. Der Supermarkt ist der Mittelpunkt von allem, was abläuft. Die einengende Symmetrie und Künstlichkeit der Konsumwelt zeigt Richter mit bedrohlich-langsamen Kamerafahrten durch die Regale. Der Supermarkt wird zum beängstigenden Mikrokosmos, der alle Personen in seinem Umkreis in seinem Kraftfeld einsaugt. Den Kontrast dazu bildet die Welt der Jugendlichen, denen in der Vorstadt-Ödnis nur sinnloses Rumgammeln bleibt. Hier geht der Stil durch die Nähe der Handkamera schon viel weiter in eine dokumentarische Richtung. Im Mittelpunkt steht Julian (Jack Hofer), der sich, von Eintönigkeit und Autoritäten genervt, seinem neuen Vorbild Marko (Simon Morzé) zuwendet. "Einer von uns" bewegt sich ausgewogen zwischen ungeschöntem Realismus alá Seidl und Haneke und Videokunst. Durch dieses Verhältnis krallt sich der Film lange im Gedächtnis fest. Es bleibt also zu hoffen, das der Film bald in die deutschen Kinos kommt. Wie Richter auf dem Filmfestival verriet, ist ein Verleih inzwischen gefunden.

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