Seefeld:Feinste Folklore

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Grenzgänger: Alex Haas, Monika Drasch und Norbert Nagel (von li.). (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Monika Drasch und ihr Quartett lassen es in Seefeld mit ihrem Mix aus Weltmusik, Klezmer, Jazz und Rock krachen

Von Reinhard Palmer, Seefeld

Der große Vorteil dieser Musik, die sich über alle Grenzen hinwegsetzt und diverse Gattungen und Stile in sich vereint, zeigte sich schon am Publikum: volles Sudhaus im Seefelder Schloss quer durch alle Generationen. Ein Beweis mehr dafür, dass es nur zwei Musikgattungen gibt: gute und schlechte. Der Erfolg von Monika Drasch und ihrem Quartett bestätigt, dass sie erstere machen. Zudem führt die thematische Auswahl ihrer Repertoires immer auch in ganz besondere Gefilde, inhaltlicher wie auch geografischer Art, was stets neugierig macht und Perspektiven für Neuentdeckungen eröffnet.

Und "Auf der Böhmischen Grenz" ist schon eine besondere Ecke in vielerlei Hinsicht, etwa was Mentalität, Sprache, Ausdrucksart oder Emotionalität betrifft. Für Drasch genau die richtige Konstellation und beste Voraussetzung, fesselnde, überraschende, mal humorvolle, mal lyrisch sinnierende, vor allem aber immer ansprechende Musik zu machen.

Dieses Quartett spielt aber im Grunde keine Volksmusik. Zumindest nicht in reiner Form. Bairisch-diatonischer Jodelwahnsinn, Hubert von Goisern und Hans Well, mit denen sie musiziert und kabarettisiert hat, sind am Tausendsassa Drasch nicht spurlos vorübergegangen. Und dennoch entstand kein zusammengeschustertes Sammelsurium, sondern ein eigener Stil, der mit all den Elementen angereichert ist und sich daher unentwegt wandelt. Eine Zuordnung zur Gattung und zum Genre ist dadurch schwierig - aber auch nicht nötig.

Was zählt, ist die hohe Qualität von Komposition, Dichtung und Ausführung, ferner der spielfreudige Zugriff und die Lust am Experiment. Doch klar, die musikalischen Elemente sind die bestimmende Größe. Und die kennen keine Grenzen. Ob Volks- oder Weltmusik, Klezmer, Jazz, Rock, Neue oder Alte Musik: Die Spannweite ist enorm, doch nie zufällig. Erst recht nicht die Zusammenstellung innerhalb der Stücke, die stets präzise abgestimmt ist. Die Übergänge sind fließend und musikalisch sorgfältig erspürt.

Eine so schlüssige Form zu erhalten, wie es dem Monika Drasch Quartett geradezu wie selbstverständlich von der Hand geht, ist nur möglich, weil alle vier Ensemblemitglieder herausragende und ähnlich vielseitige Musiker sind. Norbert Nagel an der Klarinette, Bassklarinette und am Sopransaxofon hatte es auf der instrumentalen Ebene am stärksten in der Hand, stilistische Grenzgänge anzuzetteln, etwa mit subtilen Klezmer-Jauchzern oder virtuosen Jazzimprovisationen, aber auch mit folkloristischer Derbheit. Mit Christian Gruber, der seit Jahrzehnten mit Peter Maklar ein international renommiertes Gitarrenduo unterhält, gehört ein grandioser Gitarrenvirtuose zum Quartett. Eine solistisch vorgetragene Ballade machte mit sauberster Tonbildung und hoch musikalischer Klangformung die Klasse deutlich, die Gruber auch in einfachen, volksmusikalischen Rhythmen und ostinaten Begleitfiguren beweist. Meistens in enger Zusammenarbeit mit Alex Haas am Kontrabass, der vor allem im Duo "Unsere Lieblinge" für Furore sorgt. Seinen Humor setzte er in erster Linie in den Soli um, nicht nur mit beherzter Musizierlust, sondern auch mit spontanen Anleihen, etwa wenn er mittendrin das Macarena-Thema aus dem Hut zauberte. Mit Violine, Sopranino und französischem Dudelsack gehört das Besondere zu den instrumentalen Hauptaufgaben von Monika Drasch. Wichtiger noch der Gesang, in den alle vier Musiker intonationssauber einstimmten: Haas als Draschs Duopartner, während Gruber und Nagel zu einem glänzenden Chorus dazu stießen.

Eine interessante Ausprägung zauberte das Quartett mit einem geschickten Changieren zwischen Volksmusik, etwa einer böhmischen Polka, und Renaissance-Musik, die aber schon mal die Tonalität verließ, um avantgardistischen Elementen Platz zu machen oder ungestüm polterndem Musikantentum. Allerdings nur in Überleitungen oder zur Akzentuierung. Was das Quartett ansonsten an Volksmusik beisteuerte, war von der feinsten Sorte: Zwei- bis Viergesang und fesselnde Jodler von weit komplexerer Harmonik, als man es vom Musikantenstadl her gewohnt ist. Auch Volksmusik kann wunderbare Kammermusik sein, wenn sie so homogen und klangschön ausbalanciert in die Feinheiten geht. Auf diese Weise wurden auch weltmusikalische Verknüpfungen möglich, gerade wenn es mit Dudelsack und Sopransaxofon um tänzerische Ausgelassenheit ging, oder lateinamerikanische Rhythmen Temperament entwickelten. Ein musikalisches Vergnügen, das frenetischen Applaus erntete.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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