Seefeld:Die goldenen Jahre sind vorbei

Gum mit Pleitegeiern

Zu den Haushaltsberatungen des Seefelder Gemeinderats bringt Bürgermeister Wolfram Gum gerne den Pleitegeier mit. Der hat inzwischen sogar ein Junges bekommen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Gewerbesteuereinnahmen sinken, die Kreisumlage steigt: Seefelds Haushalt kann nur dank hoher Rücklagen ausgeglichen werden. Bürgermeister Wolfram Gum spricht vom problematischsten Etat seiner Amtszeit

Von Christine Setzwein, Seefeld

Es ist das erste Mal, dass der Pleitegeier seinem Namen gerecht wird. Seit vielen Jahren hat der Seefelder Bürgermeister Wolfram Gum bei der Verabschiedung des Gemeindeetats das Plüschtier dabei. Zum Spaß, weil Seefeld seit ewigen Zeiten schuldenfrei ist. Besser gesagt: war. Denn für 2017 hat Kämmerin Gabi Ulrich einen Kredit in Höhe von zwei Millionen Euro eingeplant, und die Rücklagen fallen von elf auf zwei Millionen. Eine bittere Pille für Gum, der immer besonders stolz darauf war, dass die Gemeinde über viele Jahre hinweg finanziell so blendend dastand. "Dieser Haushalt ist der problematischste seit meinem Amtsantritt 1990", sagte er in der Gemeinderatssitzung am Dienstag.

Dass es klamm wird in Seefeld, liegt an den hohen Gewerbesteuereinnahmen. Klingt unglaublich, ist aber so. Weil eine ortsansässige Firma 2015 eine ungewöhnlich hohe Gewerbesteuer zahlte, muss Seefeld zwei Jahre später eine "exorbitant hohe Kreisumlage" abführen, nämlich neun Millionen Euro. Gleichzeitig muss die Gemeinde aber fünf Millionen Euro Gewerbesteuer zurückzahlen. "Da wird die Kommune doppelt gestraft", meinte Josef Wastian (FWG).

Für die Kämmerin bedeutet das, dass der Verwaltungshaushalt 4,2 Millionen Euro aus dem Vermögenshaushalt braucht, um ihn ausgleichen zu können. Sie rechnet 2017 mit Gewerbesteuereinnahmen von 4,5 Millionen Euro, 2016 waren es noch 6,5 Millionen, die Jahre davor lagen sie zwischen acht und zehn Millionen. Der Vorteil: Sinkt die Gewerbesteuer, sinkt auch die Kreisumlage.

Investiert wird in Seefeld trotzdem. So sind für die Erschließung des Einheimischenmodells in Hechendorf 1,5 Millionen angesetzt, für Krippe- und Hortanbauten 1,3 Millionen, für Hoch- und Tiefbaumaßnahmen zwei Millionen und für die letzte Rate der Breitbanderschließung 360 000 Euro.

Wohin die Reise gehen wird, kündigte Gum an: "Wir müssen die Ausgaben senken und die Einnahmen, auf die wir bislang großzügig verzichtet haben, einfordern." Er denke dabei an eine maßvolle Anhebung aller Gebühren und den Verzicht auf Wünschenswertes. Aber: "Wir werden uns damit zurecht finden", schloss der Bürgermeister seine Haushaltsrede.

Das meinen auch die Gemeinderäte. "Wir haben auch bisher keine goldenen Wasserhähne verbaut", sagte Peter Schlecht (FWG). Jetzt müsse vor allem die Einnahmenseite gestärkt werden. Auch wenn der Kredit wirklich nötig sei, sei das nicht so schlimm, meinte Wastian. "Wir investieren ja in unsere Infrastruktur." Ärgerlich sei es, dass der Gesetzgeber es Unternehmen ermögliche, "Geld einfach zu verschieben". Er spielte damit auf 3M an, das die Produktionsplanung von Seefeld in die Schweiz verlagert hat, in Oberalting aber weiter produziert. Darum auch die Millionenausfälle bei der Gewerbesteuer.

So schlecht "stehen wir nicht da", sagte Martin Dameris (SPD). Das Tafelsilber müsse nicht verkauft werden, allerdings jeder Euro künftig dreimal umgedreht werden. Nicht so dramatisch sah die Lage Robert Benoist (Grüne). Er schlug vor, bei den Personalkosten zu sparen und darüber nachzudenken, ob es wirklich neue Mitarbeiter im Rathaus brauche. "Gott sei Dank haben wir das Rathaus nicht gebaut", sagte er. Dem widersprach Oswald Gasser (FDP). Er wies darauf hin, dass deswegen die Gemeindeverwaltung jetzt in einem Gewerbebau sitze, wo sich besser neue Startups ansiedeln könnten. So könnten die Gewerbesteuereinnahmen erhöht werden und Seefeld wäre nicht mehr nur auf "drei große Unternehmen am Ort" angewiesen. "Das macht uns anfällig." Der Haushalt 2017, der ein Gesamtvolumen von 31,3 Millionen Euro hat, wurde einstimmig gebilligt.

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