Seefeld:Der Millionenstrichler

Die Kunsthalle Seefeld zeigt mehr als 50 Werke des berühmt-berüchtigten Grafikers Horst Janssen. Die Auswahl zielt darauf ab, die Entwicklung des Künstlers in Stil und Ausdruck zu verdeutlichen

NICOLA SEIPP

SeefeldDetailgenau, geradezu detailversessen fertigte Horst Janssen (1929 bis 1995) mit großer Akribie seine Zeichnungen und Radierungen. Mit subtiler, dabei rigoroser Feder und eindringlichem Blick schuf er Kunstwerke, die nur auf den ersten flüchtigen Blick als ein unendliches Gewirr aus unzähligen scharfen Strichen erscheinen. Morbide und düster ist die Atmosphäre in seinen Werken, oft abgründig, grotesk oder geprägt von erotischen Phantasien, dabei abstrakt und aufs Wesentliche reduziert. Die Motive sind mit grober Linie klar umrissen und mit feinsten Bleistiftstrichen ausgefüllt. Was dem Hamburger Grafiker und Zeichner, der als Jahrhunderttalent gilt, den bezeichnenden Namen "Der Millionenstrichler" einbrachte.

Seefeld Schloss Kunsthalle Ausstellung

Horst Janssens Selbstporträt "Selbst Wirsch an Kaju" Foto: Georgine Treybal

(Foto: Georgine Treybal)

Dabei bildete er in seinen Arbeiten nicht einfach nur ab und zeichnete das, was er sah, sondern er interpretierte, zuweilen spöttisch, sarkastisch, immer sensibel. So widmete der norddeutsche Künstler seine preisgekrönte Zeichenkunst und intensive Aufmerksamkeit nicht nur Tieren, Blumen, Landschaften und dem weiblichen Körper, sondern er hielt in zahlreichen Selbstporträts auch immer wieder sich selbst aus. Und sagte: "Ich kann nur zeichnen, was ich liebe."

1929 in Hamburg als uneheliches Kind geboren, wächst Janssen bei den Großeltern in Oldenburg auf. Er studiert später in Hamburg an der Landeskunstschule, wo er Meisterschüler von Alfred Mahlau wird und schon bald eigene Zeichnungen in der Wochenzeitung "Die Zeit" veröffentlicht. Janssen beschäftigt sich intensiv mit verschiedenen grafischen Techniken, fertigt großformatige Farbholzschnitte an und erlernt Mitte der Fünfzigerjahre die Technik des Radierens. Eine Technik, die ihn fasziniert. Janssen gilt bis heute weltweit als einer der bedeutendsten Grafiker der Nachkriegszeit, mit einem äußerst umfangreichen grafischen Œuvre; allein die Zahl seine Radierungen beläuft sich auf etwa 3000. Und natürlich ist Janssen auch in die Schublade ausschweifender Künstler eingeordnet worden: als ein Mann mit äußerst ausprägten Ego, exzentrisch und berüchtigt für seinen bewegten Lebenswandel.

Einen Einblick in das künstlerische Schaffen Horst Janssens gibt derzeit der Galerist Jürgen Stenzel in seiner Kunsthalle Seefeld im Schlosshof. Er präsentiert dort mehr als 50 Werke des Künstlers - Holzschnitte, Radierungen, Lithografien und Zeichnungen, darunter auch die großformatige Arbeit "Der große Totentanz", die größte ihrer Art, die Janssen geschaffen hat.

Zu sehen sind drei farbige Radierungen der Reihe "Briefe an Roger Bin III" (1980), Selbstporträts, der expressive großformatige Farbholzschnitt "Spieltisch" sowie zwei original Federtusche-Zeichnungen. Die Bilder stammen allesamt aus einer Sammlungsauflösung des Kunsthauses Lübeck, mit dem Jürgen Stenzel bereits seit einiger Zeit zusammenarbeitet. Präsentiert werden in der Kunsthalle Seefeld Werke aus den frühen Jahren des Künstlers bis 1995. Das früheste Werk stammt von 1958, damals war Janssen noch keine 30 Jahre alt.

Bei der Ausstellung sei es ihm wichtig gewesen, die Entwicklung des Enfant terribles Janssen insbesondere hinsichtlich dessen Stils und Striches aufzuzeigen, so Galerist Stenzel. Wer genau hinsieht, kann so genau verfolgen, wie Janssen auf seinem künstlerischen Weg im Ausdruck immer freier wurde.

Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 10. November, jeweils Donnerstag bis Sonntag 13 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung.

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