Seefeld:Auf den Grund gegangen

Vor elf Jahren hat der Physiker Thomas Heege das Unternehmen Eomap gegründet. Aus Satellitenbildern werden Informationen über den Seegrund und die Wassertiefe errechnet. Für die Unesco hat er ein Wassergüteportal erstellt

Von Otto Fritscher, Seefeld

An den Wänden hängen großformatige Luftaufnahmen, die Inseln im Meer in wunderbar changierenden Blau- und Grüntönen zeigen oder einen idyllischen Küstenverlauf. Man könnte meinen, hier im Schloss Seefeld in ein Reisebüro geraten zu sein. Weit gefehlt. "Wir werten solche Satellitenbilder aus, um daraus die Wassertiefe für hochgenaue Seekarten zu errechnen, oder um die Konzentration von Schwebstoffen, Chlorophyll, Plankton oder Blaualgen im Wasser zu messen, was für Umweltexperten wichtig ist", erklärt Thomas Heege. Es muss also kein Schiff mit einem Echolot mehr seine Kreise ziehen, um die Wassertiefe zu ermitteln, die Gewässergüte kann deutlich häufiger bestimmt werden, so dass nicht mehr so häufig Wasserproben entnommen werdenmüssen.

Was recht einfach klingt, ist in Wirklichkeit eine hochkomplexe Technologie, die Thomas Heege jetzt schon bald 20 Jahre beschäftigt. Zunächst zehn Jahre lang im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen. Als die Technik marktreif war, gründete der mittlerweile 51-Jährige 2006 seine eigene Firma: die Eomap GmbH, die Abkürzung für Earth Observation - also Erderkundung und "map", englisch für Landkarte. Mittlerweile ist Eomap Weltmarktführer, was sich auch darin zeigt, dass Heege an diesem Montag nach Paris zur Unesco fliegt. Für diese Unterorganisation der Vereinten Nationen hat Eomap ein weltweites Gewässergüteportal erstellt. Eine bislang einzigartige Datenbank über den Zustand von Binnengewässern, Flüssen und Seen, gespeichert in der Cloud; sie soll als Grundlage für die Umweltagenturen in vielen Ländern dienen.

Wie funktioniert die Technik? Aus zugekauften Satellitenbildern werden mit Hilfe von Spektralanalysen und komplizierten Algorithmen Informationen über die Wasserinhaltsstoffe gewonnen. Heege schaut also quasi mit Hilfe der Satellitenbilder ins Wasser hinein und beurteilt den Zustand. Ein einfacher Vergleich verdeutlicht das Verfahren: "Wenn man mit dem Auge ins Wasser schaut, sieht man auch verschiedene Verfärbungen, im Lech etwa ist das Wasser heller, weil mehr Sedimente drin sind, im Ammersee ist es grüner, weil Algen im Wasser sind", verdeutlicht Heere.

Seefeld: EOMAP Thomas Heege

Thomas Heege gründete 2006 seine eigene Firma: die Eomap GmbH.

(Foto: Nila Thiel)

Für Gewässeranalysen und Kartierungen besteht internationaler Bedarf. "Sehr viele Gebiete der Meere und Seen sind nicht oder nur unzureichend vermessen, und häufig wiederkehrende Messungen der Gewässergüte sind nicht die Regel", sagt Heege. Aktuellste Daten also. Es sollen sogar noch Seekarten im Umlauf sein, die auf Messungen basieren, die der Entdecker James Cook in den 1770er Jahren bei seinen Fahrten im Südpazifik gemacht hat.

Was sind andere Anwendungsgebiete für diese Technologie? Von Eomap erstellte Karten wurden beim Bau einer Gas-Pipeline von Albanien nach Süditalien verwendet, denn auch Pipelines darf man nicht einfach überall bauen, weil es zum Beispiel geschützte Seegrasfelder gibt. Eomap war bei der Suche nach Erdölfeldern vor Katar dabei, lieferte Daten, die heutzutage in offiziellen nautischen Karten der britischen hydrografischen Organisation zu finden sind, und hat das Habitat auf dem Meeresgrund vor Abu Dhabi dokumentiert. "Wir haben durch die Satelliten auch die Wassertiefe für das gesamte Great Barrier Reef vor Australien vermessen, solche Daten gab es vorher nicht", erklärt Heege, und klingt ein bisschen stolz.

"Es sind höchstens 20 Prozent der Meeresoberfläche mit so genauen Kartierungen abgedeckt. Gerade in vielen Flachwasserbereichen fehlen noch viele Daten", sagt Heege. Und es wäre sehr langwierig, teuer und mühsam, diese Gebiete mit der althergebrachten Echolot-Technik zu vermessen. Aber auch das Bayerische Landesamt für Umwelt gehört zu den Auftraggebern. Es will wissen, wie oft und wie weit bayerische Seen im Verlauf der vergangenen Jahre zugefroren sind - und wie sich diese "Eisbedeckung", wie die Fachleute sagen, im Zuge des Klimawandels verändert hat.

Bis zu einer Tiefe von etwa 30 Metern lässt sich durch die Spektralanalyse der Satellitenbilder schneller und kostengünstiger nicht nur die Wassertiefe feststellen, sondern auch, wie der Meeresboden beschaffen ist: felsig, sandig, bewachsen oder nicht. Das interessiert Firmen, die Unterseekabel verlegen, oder küstennah unter Wasser bauen wollen. Auch der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat schon auf die Technologie von Eomap zurückgegriffen, als es um Grenzstreitigkeiten im südchinesischen Meer ging.

Eisbedeckung des Ammersees Vergleich 1997 und 2012 Satellitenbild und Kartierung von Eomap

Thomas Heege arbeitet nicht nur an internationalen Projekten. Er wertet auch aus Satellitenaufnahmen aus, wie oft und wie weit die bayerischen Seen zufrieren. Links der Ammersee ganz das das Satellitenbild, im Satellitenbild und rechts die daraus erstellte Analyse über die Eisbedeckung.

(Foto: Eomap GmbH)

Heege hat Eomap alleine gegründet, und das Unternehmen ist immer noch zu 100 Prozent in seinem Besitz. Er hat Physik in Konstanz studiert, und dann an einem multinationalen Projekt zur Wassergüte des Bodensees mitgearbeitet. So entstand der Kontakt zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Beim DLR hat er dann zehn Jahre lang daran geforscht, wie aus hochaufgelösten Satellitenbildern Wassertiefe und Wassergüte errechnet werden können.

Das Gewässergüteportal für die Unesco, die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, war einer der bisher größten Aufträge für Eomap im Bereich der Wasserqualitäts-Untersuchungen. Die riesige Datenbank dient als Informationsquelle für nationale Umweltbehörden, Firmen und Forscher, die sich über die Gewässerqualität von Flüssen, Seen und Meeren informieren wollen. "Das war schon ein sehr großes Projekt. Da haben unsere Server schon monatelang gerechnet", erklärt der Physiker. Bei Bedarf werden von Eomap aber auch externe Serverkapazitäten angemietet.

"Die vergangenen zwei, drei Jahre ist es steil nach oben gegangen", sagt Heege. Den Jahresumsatz seines Unternehmens beziffert er auf einen einstelligen Millionenbetrag, er hat sich von 2016 auf 2017 sprunghaft verdoppelt, im Jahr zuvor lag die Wachstumsrate bei 20 Prozent. Vor allem in den Vertrieb will Heere investieren, "aber es ist schwer, Sales-Leute zu finden, die unsere Technologie verstehen." 16 Mitarbeiter hat Eomap zurzeit im Schloss, und zwei weitere in Australien, zumeist Physiker, Informatiker, Geografen - und seit einem halben Jahr eine Marketing- und PR-Frau, deren Aufgabe es unter anderem ist, für den Sommer einen internationalen Fachkongress zu organisieren.

Mit dem Standort in Seefeld ist Heege sehr zufrieden. "Nicht nur hier im Schloss ist es schön, auch die Umgebung ist natürlich sehr reizvoll - was besonders bei den Besuchern aus aller Welt gut ankommt. So sollen bei Rundfahrten mit einem Raddampfer auf dem Ammersee schon lukrative Geschäfte angebahnt worden sein. "Auch mir gefällt es hier sehr gut", sagt Heege, der häufig mit dem Fahrrad aus Weßling zur Arbeit kommt. Am Montag wird er aber das Fahrrad stehen lassen und mal das Flugzeug nehmen, um in Paris am feierlichen Eröffnungsakt für das Gewässerportal teilzunehmen.

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