Schwarzgebaute Gartenhäuschen:Hoffen auf Aufschub

Angebliche Schwarzbauten in Herrsching; Wochenendhäuser am Neff-Weg

Die Familie von Sieglinde Ebesberger besitzt in der sogenannten Neff-Siedlung in Herrsching eine Parzelle seit 1964.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Landratsamt ordnet den Abriss der idyllischen Neff-Siedlung in Herrsching an. Ein Bebauungsplan für das Gelände ist laut Bürgermeister Schiller nicht realistisch.

Von Astrid Becker, Herrsching

Sie wirkt wie eine Idylle: die sogenannte Neff-Siedlung in Herrsching. Kleine Holzschuppen inmitten von Grün, Blumenbeeten und Weihern. Doch die Anlage mitten im Landschaftsschutzgebiet ist offenbar nie genehmigt worden. Daher hat das Landratsamt den Abriss der mehr als 20 Häuschen auf dem geschätzt 15 000 Quadratmeter großen Areal angeordnet.

Es ist eine für den Großraum München und auch speziell für den Landkreis Starnberg typische Geschichte, die sich hier am Ortsrand der Ammerseegemeinde abspielt. Denn jahrelang hatte sich hier niemand die Frage gestellt, ob die Kleingartensiedlung legal oder illegal errichtet worden war. Erst als 2007 Erweiterungen anstanden und zwei Jahre später ein Nachbarschaftsstreit ausbrach, wurden die Behörden auf die Siedlung am Neffweg aufmerksam. "Eines Hinweises wegen - wie so oft hier", so ist aus dem Landratsamt zu erfahren. Seither steht für das Amt fest: Die Siedlung besteht aus lauter Schwarzbauten. Die Folge: 2009 ordnete die Kreisbehörde an, alles zu beseitigen.

Grollen im Paradies

Herrsching - Der Feldweg ist schnurgerade und führt an geschnittenen Hecken und einer Trauerweide vorbei. Die Parzellen und die Beete sind liebevoll gepflegt. Eine Oase zwischen dem Pilsensee und Ammersee - deren Tage aber wohl endgültig gezählt sind. Doch die Laubenbesitzer hoffen immer noch, dass sie aus ihrem kleinen Paradies mit den Weihern und Grillecken nicht vertrieben werden. Zum Beispiel Roswitha und Peter Schneider, die erst vor vier Jahren am Neffweg ein gemütliches Gartenhäuschen auf dem Gelände für 7000 Euro gekauft haben und für ihr etwa 500 Quadratmeter großes Grundstück jährlich 600 Euro an Pacht ausgeben. Sollten die aus Dresden stammenden, 72 Jahre alten Eheleute das Areal tatsächlich räumen müssen, wäre das wie eine Enteignung, sagen sie .

Sie hätten insgesamt etwa 11 000 Euro in ihre Parzelle investiert und auch die Uferkante am Teich neben dem Fischbach vor ihrem Garten befestigt. "Wir schaden doch mit unserem Anwesen nicht der Natur", betonen die Schneiders. Jetzt hoffen die früheren Kaufleute, dass die "Juristen über ihren Paragrafenschatten springen" - und die Anlagen weiterhin dulden. Zum Beispiel auch die Parzelle nebenan, wo sie gern Honig bei einem Hobby-Imker einkaufen.

Zweihundert Meter weiter ist Sieglinde Ebesberger ansässig, deren Familie bereits vor 51 Jahren ein schönes Fleckchen in der Gartensiedlung bei Herrsching erworben hatte. Die Münchnerin hat mit ihrem Ehemann auch einige Häuschen für Stühle und Geräte gebaut. Nun bangen sie um ihr Lebenswerk, ebenso ihre Söhne und sieben Enkel. Auf der Terrasse gibt das Ehepaar am Dienstag dem TV-Team der BR-Sendung "Quer" ein Interview. Die Sommerhaus-Siedler können es einfach nicht glauben, dass ihr Domizil nun illegal sein soll.

Man wolle wenigstens noch geduldet sein, sagt ein Pächter leise. Der Mann lehnt traurig an seinem Gartentor und erzählt, dass er hier seit 35 Jahren die Vögel und Igel beobachte. Christian Deussing

Doch die Eigentümer wehrten sich mit juristischen Mitteln dagegen, argumentieren noch immer mit Duldung und "Bestandsschutz". Doch geltendem Recht nach müsste dafür die Anlage zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigt oder zumindest genehmigungsfähig gewesen sein. "Der Begriff Bestandsschutz wird gern falsch eingesetzt", so Kreisbaumeister Christian Kühnel. Große Chancen, um den Abriss herumzukommen, werden die Besitzer also wohl nicht haben - auch wenn die Entstehung ihrer Parzellen bis in die Fünfzigerjahre zurückreicht. Es gab zwar zu dieser Zeit eine Bauordnung, doch die stammte aus dem Jahr 1901 und war für das Königreich Bayern erlassen worden, also völlig veraltet. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs herrschte aber in München wie im Umland Wohnungsnot: "Da hatte man dringendere Sorgen als Genehmigungen", ist auch aus dem Landratsamt zu hören.

So muss es auch bei der Hufschlag-Siedlung bei Schlagenhofen gewesen sein. 1944 waren hier Notunterkünfte für Flüchtlinge errichtet worden. Sie entwickelten sich im Laufe der Zeit zu einer kleinen Siedlung. "Illegal", wie das Landratsamt in den 1990-Jahren befand und gleich mehrmals den Abriss der Bauten anordnete. Aus einem einfachen Grund: Es war das erklärte Ziel, alle Schwarzbauten zu beseitigen - auch die Hufschlag-Siedlung, die mitten im Wald in einem Landschaftsschutzgebiet liegt. Abgerissen wurde sie jedoch bis heute nicht. Im Gegenteil. Denn mittlerweile arbeitet die Gemeinde Inning, die einst die Siedlung unbedingt entfernt sehen wollte, an einem Bebauungsplan für das Areal - also einer, wenn man so will, nachträglichen Legalisierung. Ähnliches geschah in den letzten Jahrzehnten beispielsweise auch am Wörthseeufer, das auf weiten Strecken illegal bebaut war.

"Einen Lottogewinn für die Eigentümer", nennt der Kreisbaumeister dieses Vorgehen, das jedoch in Herrsching wohl nicht möglich ist: Denn die Neff-Siedlung kann laut Bürgermeister Christian Schiller nicht legalisiert werden: "Das ist nicht nur Landschaftsschutzgebiet, das wäre ja allein nicht das Problem, das gegen einen Bebauungsplan spräche. Doch es ist auch noch Überschwemmungsgebiet, ein kartiertes Biotop mit Fauna-Flora-Habitat, ein Vogelschutzgebiet und tiefster Außenbereich." Er hofft nun - vor allem für diejenigen, die vor wenigen Jahren für teures Geld dort Parzellen erworben haben - auf einen Aufschub von "fünf bis zehn Jahren".

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