Schottenhamel plaudert:Der gestresste Wiesnwirt

Berg: Bergperspektiven mit Christian Schottenhammel

Zünftig (v.li.): Christian Kalinke, Frederrik Hobart, Christian Schottenhamel, Christoph Kammerlander.

(Foto: Thiel)

Christian Schottenhamel plaudert in Berg ein bisschen aus dem Nähkästchen und über die Faszination Oktoberfest

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Berg

Trinkorgien, gemeinsames Kreischen und Geschiebe: Das Freizeitvergnügen auf dem Oktoberfest treibt seltsame Blüten. Auf der Veranstaltung "Bergspektiven" in Berg ging der Initiator Christian Kalinke der Frage nach, was Tausende Menschen aus aller Welt dazu treibt, bereits um fünf Uhr morgens vor dem Bierzelt zu stehen, um einen der begehrten Sitzplätze zu ergattern.

Seit zehn Jahren versuchte Kalinke einen Wiesnwirt nach Berg zu bekommen, nun hat es endlich geklappt. Mit Christian Schottenhamel, seit 27 Jahren Wirt im gleichnamigen Wiesn-Zelt, sprach er über die Faszination Oktoberfest. Ein Engländer habe ihn einmal gefragt, wie es sein kann, dass 8000 Leute in einem Zelt Unmengen an Bier trinken und sich nicht dabei umbringen, erzählte Kalinke. Doch die als "Local Heroes" geladenen Gäste, die Oberburschen Frederik Höbart von der Burschenschaft Berg und Christoph Kammerlander aus Perchting und der 52-jährige Wiesn-Wirt waren sich darin einig: Die Wiesn macht Spaß, es ist dort eine super Stimmung. Nach Schottenhamels Recherchen liegt das Höchstgebot bei Ebay für Tischreservierungen bei bis zu 20 000 Dollar. Ob es Abnehmer dafür gebe, wisse er nicht. Aber den Wiesn-Wirten seien diese Auswüchse ein Dorn im Auge, wenngleich man es nicht unterbinden könne. Dennoch: "Wir können stolz auf unsere Wiesn sein", betonte er.

Immerhin würden in 16 Tagen rund eine Milliarde Euro umgesetzt. Ein Wiesnwirt ist für ihn ein Unternehmer, dessen Arbeitstag gegen sieben Uhr morgens beginne und bis um vier Uhr morgens dauern kann. Von der Hendl-Lieferung bis hin zu den frischen Blumen überprüfe er alles. In den 16 Tagen werden hohe Summen bewegt, beispielsweise Personalkosten für die 450 Mitarbeiter sowie die 88 Sicherheitsleute. Alleine der Auf- und Abbau des Bierzeltes kosten laut Schottenhamel rund zwei Millionen Euro. Jedes Jahr gibt es Neuerungen, wie beispielsweise bayerisches Bisonfleisch. "Man muss knallhart kalkulieren, sonst geht man in unserer Branche unter", betonte er. Doch trotz des knochenharten Jobs und der strengen Vorschriften, sei die Wiesn eine Sucht - bei Wirten und Mitarbeitern gleichermaßen. Dass es vielleicht an dem hohen Verdienst liegen könnte, davon wollte er nicht sprechen. Auch auf die Frage, wie viel mehr an Bierumsatz ein "Prosit der Gemütlichkeit" einbringt, ging er nicht ein. Entschieden wehrte er sich gegen den Vorwurf, dass die Wiesn nur noch ein Fest für Touristen sei. Rund 80 Prozent der Besucher kämen aus München und Umgebung. Schottenhamel: "Der Tourist ist der Exot." Gegen die Wiesn nehmen sich die Feste, die von den Burschenschaften veranstaltet werden, vergleichsweise klein aus. Dennoch: Laut Kammerlander machen die Perchtinger Burschen mit ihrem Stadelfest einen Umsatz von etwa 100 000 Euro.

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