Schondorf:Spiel mit der Perspektive

Auf dem neuen Skulpturenweg von Schondorf nach Eching findet sich die Parodie auf den deutschen Schilderwald genauso wie Land Art und monumentale Sägearbeiten

Von Armin Greune, Schondorf

Wo ließe es sich entspannter über Kunst streiten als bei einem Spaziergang am Seeufer und im Wald? Der gerade eröffnete Skulpturenweg von Schondorf nach Eching bietet sich nicht nur für ungewöhnliche Entdeckungen in malerischem Ambiente an - die Vielseitigkeit der Werke lädt auch geradezu zum kontroversen Diskurs ein. Unter den 21 Kunstobjekten entspricht nur Matthias Rodachs "Liegende" der konservativen Auffassung von der Arbeit eines Bildhauers: Sie ist eine perfekt geformte, klassische Schönheit aus Steinguss (die noch durch eine Bronzefigur ersetzt werden soll). Wie sie sich auf ihrem Betonsockel in der Seepromenade entspannt, korrespondieren die Wellenlinien ihrer Körperkonturen mit denen des Sees.

Diametral entgegengesetzt ist der Ansatz von Axel Wagner, der mit minimalistischem Aufwand Denkanstöße liefert. "Zeichen 282 ½" steht zu Beginn und Ende des Weingartenwegs: Zeichen 282, die vertraute, weiße Scheibe mit den fünf schwarzen Diagonalstreifen, hat er lediglich um fünf bunte Streifen ergänzt, um deren befreiende Wirkung noch zu verstärken. Das Original bedeute ja "Ende aller Streckenverbote". Es sei "das Verkehrszeichen, das ich als Autofahrer am liebsten sehe", meint der Psychiater, der sein Atelier lange Jahre im Gautinger Schlosspark hatte und nun in Greifenberg medizinisch und künstlerisch arbeitet. In Schondorf steht Wagners Symbol in Gesellschaft von Zeichen 260 ("Verbot für Kraftfahrzeuge"), dem Landschaftsschutzgebiets-Dreieck, einem Radwegweiser und zwei Hinweisschildern zu Straßeneinbauten - treffender lässt sich der deutsche Schilderwald kaum illustrieren.

Kunst am Ammerseestrand; Skulpturenpark Schondorf

Thomas Links "Schwelle" aus Untersberger Marmor steht in der Schondorfer Seeanlage.

(Foto: Franz X. Fuchs)

Eine ganze Reihe von Objekten nimmt schon in der Materialwahl auf den "wahren" Wald Bezug: Anne Frankes "Treibgut" besteht wie Daisy Fischers "Grand Canyon" aus vertikal gruppiertem Fundholz - einmal verflochten, das andere Mal als Zaun aufgehängt. Aus blau bemalten Ästen hat Hilde Seibold ihr "Luftboot" geschaffen, das zwischen zwei Kronen aufgehängt über dem Ammersee zu schweben scheint. Und auch Hans Illners hölzerne "Welle" leuchtet blau hervor: Ein geschwungener Lattenrost über einem Graben soll den Strom der eiszeitlichen Gletscher wiedergeben. Wenngleich längst nicht alles mit den Etiketten Land Art oder Natur-Kunst versehen werden kann, empfinden wohl alle bislang vertretenen 15 Künstler die Vergänglichkeit ihrer Werke als besonders reizvoll - oder sehen im Zahn der Zeit, der an ihnen nagt, zumindest eine Herausforderung.

Hannes Kinau etwa ist sich sicher, dass seinem "Turmbau zu Pappel" in den kommenden Jahren Veränderungen bevorstehen, die nicht nur die ultramarine Lasur angreifen. Falls die Skulptur umfällt, tauft er sie in "Jahresringkanal" um, scherzt der Windacher Holzbildhauer. Den zunächst zwei Tonnen schweren Stamm hat er bei einem Schreiner in Greifenberg entdeckt und gekauft. Kinau beließ ihn im Ganzen, "weil ich ihm die Monumentalität nicht stehlen wollte", erleichterte die Hülle aber mit der Kettensäge um 1400 Kilogramm und segmentierte den Hohlkörper zu vier Ringen - eine "sägensreiche" Arbeit.

Kunst am Ammerseestrand; Skulpturenpark Schondorf

Das aus Schwemmholz gefertigte Objekt "Treibgut" der Gautinger Künstlerin Anne Franke markiert den Beginn des Ammersee-Skulpturenwegs.

(Foto: Franz X. Fuchs)

Auch bei Gerhard Gerstberger ist schon allein die physische Energie bewundernswert, die er für seine halbtonnen schwere Skulptur "Durchblick" aufgewendet hat. Zwei im stumpfen Winkel gefaltete Stahldreiecke ragen zum Himmel, der Spalt zwischen ihnen lenkt den Blick auf den Heiligen Berg in Andechs. Das Kloster im Fokus hat auch Thomas Lenharts "Großer Fadenschein". Selbst wenn die geometrische Stahlkonstruktion zu den Schwergewichten des Skulpturenwegs zählt, wirkt sie sehr filigran: 500 Meter Stahlseil ist zwischen zwei quadratische Rahmen in sechs Meter Abstand gespannt. Schaut man zentral durch dieses symmetrische Netz über den See, wird der Heilige Berg eingerahmt, wechselt man den Blickwinkel, zerteilt sich die Welt in ständig neue Raster. Das Spiel mit den Perspektiven zieht sich als roter Faden am Skulpturenweg entlang. Es ist ja oft nur eine Frage des Standpunkts, wo Kunst beginnt und wo die Natur endet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: