Prozess:Bauer wird von Lastwagen erfasst - und will Entschädigung

Prozess: Im Münchner Umland dürfen Rinder noch vergleichsweise häufig auf die Weide, was jedoch auch böse Folgen haben kann.

Im Münchner Umland dürfen Rinder noch vergleichsweise häufig auf die Weide, was jedoch auch böse Folgen haben kann.

(Foto: Robert Fishman/Imago)
  • Ein Landwirt ist unter einen Lastwagen geraten, der seine Kuhherde überholte.
  • Der Mann wurde schwer verletzt und streitet nun vor Gericht über eine Entschädigung.
  • Der Lkw-Fahrer war bereits in drei strafrechtlichen Instanzen wegen fahrlässiger Körperverletzung freigesprochen worden.

Von Christian Deussing

Die Angst um sein Fleckvieh hat dem Bauern fast das Leben gekostet. Er trieb am Morgen des 24. Oktober 2012 seine Herde aus der Hofeinfahrt in Pähl und wollte die 27 Kühe auf der Ammerseestraße zur Weide führen. Dabei wurde der Landwirt auf seinem Fahrrad von einem überholenden Lastwagen erfasst, acht Meter mitgeschleift und schwer verletzt. Eine unruhige Kuh hatte den Mann gegen die hintere Reifenachse gestoßen.

Der 45-Jährige fordert nun ein Schmerzensgeld in Höhe von 240 000 Euro, bei dem auch der langjährige Verdienstausfall eingerechnet ist. Die Versicherung des 59-jährigen Lkw-Fahrers hat aber bislang nur 48 000 Euro an den Landwirt gezahlt. Der Bauer kämpft jetzt im Zivilprozess vor dem Landgericht München II um die gesamte Entschädigung nach dem Unfall.

Der Lkw-Fahrer war in drei strafrechtlichen Instanzen wegen fahrlässiger Körperverletzung freigesprochen worden. Doch im Zivilverfahren geht es um die Haftung. Hierbei betonte am Donnerstag zwar Richter Stefan Meier-Jänsch, dass der Kläger damals mit seiner "recht waghalsigen Aktion erheblich zum Unfall beigetragen" habe. Andererseits hätte der Lastwagenfahrer in dieser unübersichtlichen Situation, "größtmögliche Vorsicht" walten lassen müssen.

Das Gericht schlug den Parteien vor, sich auf einen Betrag von rund 100 000 Euro zu einigen, worauf sich der Anwalt des Lastwagenfahrers aus dem Raum Weilheim aber nicht einließ. Er verwies darauf, dass es erst durch das "selbstgefährdende" Verhalten des Landwirts zum Unfall gekommen sei. Und der Beklagte betonte: "Ich konnte gar nicht damit rechnen, dass mir einer hinterher radelt."

Einige Autofahrer, die wegen des Austriebs auf der Ammerseestraße in Richtung Fischen warten mussten, schilderten im Prozess den dramatischen Vorfall. Der Laster sei recht zügig an der Herde vorbeigezogen. Die Kühe seien dann gelaufen, wobei ein Tier mit dem Kopf den Bauern vom Fahrrad gestoßen und "unter den Lkw befördert" habe, wie sich ein Pkw-Fahrer aus Pöcking erinnerte. Eine Zeugin fragte sich, wieso der Laster die Autoschlange und Kuhherde überholen musste.

Die Kühe gerieten in Panik

"Der Bauer trat unheimlich in die Pedale, um den Lkw einzuholen", erzählte die Frau. Einige Kühe seien in Panik geraten - "dann sah ich, wie der Bauer in hohem Bogen durch die Luft flog". Eine Fußgängerin hatte von der anderen Seite den Unfall bemerkt. Die 52-Jährige wusste aber nicht mehr genau, ob sich auf der linken Fahrbahn auch noch einige Kühe befunden hatten.

Denn auch darüber wurde in der fast fünfstündigen Verhandlung gestritten. Dazu gehörte die Frage, ob der Beklagte nicht viel zu schnell an der Herde vorbeirauschte. Denn er sei nicht im Schritttempo - wie eigentlich vorgeschrieben - an den Tieren vorbeigefahren, sagte der Anwalt des Landwirts, der den Lkw stoppen und die Herde schützen wollte. Er sagte, ihn habe eine Kuh von der Seite umgestoßen. "Zuvor wollte ich noch in eine Lücke zwischen den Kühen ausweichen." Ein Unfallgutachter meinte, dass wohl auch ein Bremsgeräusch die Kuh erschrocken habe, zudem sei nur 75 Zentimeter Platz zwischen der Herde und dem Lkw gewesen. Der Prozess dauert an.

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