Kommentar:St. Florian lässt grüßen

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Gegen den Standort für eine geplante Flüchtlingsunterkunft führen Anwohner alle möglichen Argumente an. Aber eigentlich geht es um den Abstand vom eigenen Grundstück

Von Michael Berzl

Die Methode ist erprobt. Beim Thema Windkraft zum Beispiel. Da die Energiewende allgemein erwünscht ist und daher erneuerbare Energiequellen erschlossen werden müssen, kann man schlecht generell gegen die Nutzung des Windes zur Erzeugung von Strom sein. Wenn es gilt, eine Anlage mit den riesigen Rotorblättern in Sichtweite der eigenen Terrasse zu verhindern, argumentieren die Kritiker ein wenig außenherum. Da ist dann der seltene Milan in Gefahr und überhaupt der gewählte Standpunkt ganz ungünstig. Andere wären besser.

So funktioniert das bei vielen Projekten, die notwendig sind, deren Nähe aber als unangenehm empfunden wird. Das kann sogar ein Kindergarten in einem Wohngebiet sein. In Gauting wurde schon leidenschaftlich über ein Buchenwäldchen diskutiert, als es um einen Kindergartenneubau ging.

Bei der Flüchtlingsunterkunft, die an der Zufahrt zum Gautinger Sportclub entstehen soll, liegt der Fall ähnlich. Auch hier sind die Anwohner sehr kreativ darin geworden, alle möglichen Argumente dafür zu finden, warum ausgerechnet dieser Standort in der Nähe ihres Grundstücks besonders ungeeignet ist. Ein seitenlanges Schreiben mit ihrer Ideensammlung haben sie an das Starnberger Landratsamt geschickt. Da sie ganz genau wissen, dass es als unfein gilt, generell gegen eine Flüchtlingsunterkunft zu sein, betonen sie stets, dass sie nur den Standort ablehnen.

"Nimby" heißt das im Englischen. Das Akronym steht für "Not in my backyard". Nicht in meinem Hinterhof. Im Deutschen ist das Vorgehen als das gute alte St.-Florians-Prinzip bekannt. Verschon mein Haus, entwerte andere, wäre die zeitgemäße Übersetzung. Denn eine Asylbewerberunterkunft in der Nachbarschaft könnte sich wertmindernd auswirken. Für Makler wird so ein Objekt zur "Problemimmobilie", wie der Nachbar eines Wohnheims an der Bergstraße in Gating schon erfahren musste.

Möglichst weit weg wünschen sich die Anwohner der Leutstettener Straße in Gauting die geplante Flüchtlingsunterkunft. Unabhängig von den Argumenten, die sie zu Papier bringen oder öffentlich äußern dürfte in ihren Augen die Eignung eines Standorts proportional mit der Entfernung zu ihrem Haus zunehmen.

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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