Protest gegen Asylpolitik:CSU-Rebellen von Tutzing: Kirchen loben, Partei schweigt

Die Lokalpolitiker um die Vize-Bürgermeisterin und den Altbürgermeister ärgern sich über die Ausländer- und Asylpolitik ihrer Partei - und drohen mit Austritt.

Von Manuela Warkocz

Verwundert und enttäuscht zeigen sich Tutzinger CSU-Granden, dass es auf ihren Brandbrief an den Parteivorsitzenden und Bundesinnenminister Horst Seehofer wegen des Abdriftens der Partei nach Rechts bislang keinerlei offizielle Reaktion gab. Verfasst hatten den Brief Vize-Bürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg, die jahrelang den Starnberger CSU-Kreisverband leitete, Ex-Bürgermeister Alfred Leclaire, Gemeinderat Thomas von Mitschke-Collande und Sonja Stuchtey, die schon vor zwei Jahren "wegen unüberbrückbarer Differenzen" aus der Partei ausgetreten war. Die Unterzeichner kritisierten in dem Protestbrief Mitte Mai die "aggressive Rhetorik" und "Ausgrenzung andersgläubiger Mitbürger". Sie forderten eine Kehrtwende in der Asylpolitik und appellierten direkt an ihren Vorsitzenden, sich inhaltlich von der AfD abzugrenzen.

Tutzing, Gemeinderat Maximilian Levasier, FDP

CSU-kritisch: Elisabeth Dörrenberg vermisst eine Reaktion der Landesregierung auf den Brandbrief, den sie gemeinsam mit anderen kritischen Parteimitgliedern verfasst hat.

(Foto: Georgine Treybal)

"Es kam gar nichts. Ich erwarte nicht, dass Seehofer sich persönlich meldet, aber die Landesleitung", sagt Dörrenberg. Das sei unter Edmund Stoiber anders gewesen. Als sie 2003 dem damaligen Ministerpräsidenten und Parteichef als Kreisvorsitzende einen Brief schrieb, es brodele an der CSU-Basis unter anderem wegen des G 8, "hat der mich zu einem einstündigen Vieraugengespräch in die Staatskanzlei eingeladen". Dörrenberg ist mit 18 Jahren in die CSU eingetreten und hat sich in vielen Parteiämtern engagiert. Aber jetzt, "auch wegen dieser kränkenden Behandlung" sieht sie ihre Parteimitgliedschaft "an einem ganz dünnen Faden". Statt mit Aussagen wie "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" und dem Kreuzerlass die Gesellschaft zu spalten, würde sie sich in Ämtern einen verbindenden Spruch wünschen, etwa "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Bestärkt sehen sich die Unterzeichner in ihrem Vorstoß durch positive Zuschriften aus hohen katholischen und evangelischen Kirchenkreisen. Auch Sonntags nach dem Gottesdienst seien Tutzinger auf sie - alle vier regelmäßige Kirchgänger - zugekommen. Den Tenor umschreibt Dörrenberg so: "Gott sei Dank, dass sie den Mund aufgemacht haben, wir leiden darunter." In Tutzing setzen sich Dutzende Ehrenamtliche aktiv für eine reibungslose Integration von Flüchtlingen ein, sie fühlen sich von der Staatsregierung brüskiert. Bedauerlich findet Mitschke-Collande, dass überhaupt kein Diskurs geführt werde, "das ist ja ein elementarer Bestandteil einer Volkspartei". Er kündigt an, dass die Unterzeichner die Initiative engagierter Christen von Pater Alt aus Nürnberg unterstützen werden, die der CSU Vernachlässigung ihres christlich-sozialen Profils vorwirft. Er deutet an, dass er nach der Landtagswahl eine Koalition für die CSU vorteilhaft fände: "Koalitionen führen zu gewissen Korrektiven". Aus der Partei austreten? "Damit würde man es vielen zu leicht machen", findet der Lokalpolitiker. "Auftreten nicht Austreten" ist seine Devise.

Tutzing, Thomas v.Mitschke-Collande

Kritisiert, dass kein interner Diskurs geführt werde: Gemeinderat Thomas von Mitschke-Collande.

(Foto: Georgine Treybal)

Die amtierende CSU-Kreisvorsitzende Stefanie von Winning, ebenfalls eine Tutzingerin, zeigt sich auf SZ-Nachfrage gesprächsbereit mit ihren aufrührerischen Parteikollegen. "Aber der Brief war ja nicht an mich gerichtet", kontert sie Vorwürfe, nicht reagiert zu haben. Sie habe davon nur aus der Zeitung erfahren. Zudem gebe es in der Kreis-CSU unter den 1300 Mitgliedern auch genau gegenteilige Forderungen, nämlich nach Verschärfungen, ebenfalls verbunden mit Austrittsdrohungen. "Das sind jeweils Einzelmeinungen, aber die halten sich etwa die Waage." Die Spaltung der Gesellschaft in dieser Frage sei nicht wegzudiskutieren.

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