Dan Flavin-Ausstellung:Perfekte Symbiose

Die blau und rot fluoreszierende Lichtskulptur von Dan Flavin ist derzeit in Polling zu sehen. Das Werk des Protagonisten amerikanischer Minimal Art scheint wie für den 1745 erbauten Keller des Barockbaumeisters Johann Michael Fischer geschaffen

Von Katja Sebald, Polling

Man könnte meinen, der Architekt und der Künstler hätten aufs engste zusammengearbeitet, um diese spektakuläre Begegnung zwischen Baukunst und Lichtkunst zu realisieren. Doch die beiden haben sich um mehr als zwei Jahrhunderte verfehlt. Dan Flavin, einer der herausragenden Protagonisten der amerikanischen Minimal Art, starb vor zwanzig Jahren. Bis Anfang Oktober ist seine Lichtskulptur "untitled 1970" blue and red fluorescent light im sogenannten Fischerbau in Polling zu sehen. Die Ausstellung wurde just am 250. Todestag des großen Barockbaumeisters Johann Michael Fischer eröffnet.

Im Jahr 1745 beauftragten die Pollinger Chorherren den schon zu Lebzeiten berühmten Kirchenbauer Johann Michael Fischer mit der Planung für einen Keller zur Lagerung des Märzenbiers. Das Können des Architekten offenbart sich jedoch auch in diesem schnöden Profanbau: Großartig wirkt das Obergeschoss des mächtigen gemauerten Stadels mit dem freitragenden Dachstuhl über den acht großen Gewölbekellern, fein sind die Proportionen der kleinen quadratischen Fenster und in stimmigem Rhythmus angeordnet erscheint das Gebälk, fast wie eine Raumskulptur. Hier nun veranstaltet Michael Jarnach, der das Gebäude fachgerecht und mit großem Aufwand renovieren ließ, seit einigen Jahren Kunstausstellungen.

Dan Flavin-Ausstellung: Faszination Licht: Mal zeichnet das Blau tiefgründige, kalte Linien, dann wieder glüht die Lichtwand in Pink und Gelb.

Faszination Licht: Mal zeichnet das Blau tiefgründige, kalte Linien, dann wieder glüht die Lichtwand in Pink und Gelb.

(Foto: Florian Holzherr/oh)

Über den Kunstsammler Heiner Friedrich knüpfte Jarnach schon Mitte der neunziger Jahre Kontakt zu Dan Flavin und versuchte, ihn für eine Ausstellung in Polling zu gewinnen. Aber erst jetzt konnte das Projekt in Kooperation mit Heiner Friedrich, der eine der weltweit größten Flavin-Sammlungen besitzt, sowie mit dem Sohn des Künstlers und seinem ehemaligen Assistenten realisiert werden.

Es ist schon mehr als erstaunlich, dass eine Arbeit dieses bedeutenden Künstlers im kleinen Polling zu sehen ist. Schier überwältigend ist es jedoch, wie perfekt sich seine Lichtskulptur in das alte Gebäude einfügt - als wäre sie eigens dafür gemacht worden.

Die Installation besteht aus einer Anordnung von hochformatigen Metallrahmen, die den Raum in seiner ganzen Länge durchmisst. In Polling wurde sie dem ursprünglichen Konzept folgend, aber in ihrer bislang größten Form aufgebaut. Seit Anfang der Sechzigerjahre baute Dan Flavin seine Lichtskulpturen aus handelsüblichen Leuchtstoffröhren. Sein ehemaliger Assistent Steve Morse sorgt dafür, dass die vom Künstler konzipierten Arbeiten auch heute noch an neuen Orten realisiert werden können.

Dan Flavin-Ausstellung: Die Besucher werfen scharfe Schatten - werden Teil des Werks.

Die Besucher werfen scharfe Schatten - werden Teil des Werks.

(Foto: mauritius images)

Jeweils oben und unten sind in die Rahmen horizontal blaue Leuchtstoffröhren eingepasst, vertikal verlaufen rote Leuchtkörper. Das fluoreszierende Licht erfasst den ganzen Raum. Je nachdem, wo man sich als Betrachter befindet, erstrahlt das Gebälk in einem sanften Rosaton oder in mystischem Violett. Das farbige Licht lässt das dreidimensionale Bezugssystem der Architektur flächig, beinahe entgrenzt oder aber unerwartet klar hervortreten. Die Abendsonne holt das Gelb der gegenüberliegenden Klostergebäude herein und legt lange Lichtstreifen über den Holzboden. Wenige Minuten später oder einige Schritte weiter zeichnet das Blau tiefgründige und kalte Linien, dann wieder glüht die Lichtwand in Pink und Gelb, die Besucher werfen scharfe Schatten oder versinken wie hinter einem Schleier im Dunkel. Oftmals wurde die Wirkung von Flavins Lichtobjekten mit der von bunten Fenstern in gotischen Kathedralen verglichen. In diesem Fall aber trifft dieser Vergleich insofern nicht zu, als Flavins "Epiphanie" des Lichts den Betrachter unmittelbar mit einbezieht und ihn selbst zum Teil des Kunstwerks macht.

Die Ausstellung ist noch bis zum 2. Oktober 2016 im Fischerbau (Weilheimer Str. 12-14 in Polling) zu sehen - jeweils Samstag und Sonntag von 14 bis 18 Uhr.

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