Politik:Mal "unvollständig", mal "rechtswidrig"

Kreuzfahrtfeeling auf dem Starnberger See

Das Rathaus soll zum Beispiel Unterlagen zur Seeanbindung zugänglich machen, fordern Stadträte. Die Bürgermeisterin aber weigert sich.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Weil Bürgermeisterin Eva John vier Beschlüsse des Stadtrats beanstandet, führt sie diese nicht aus - etwa zur Seeanbindung oder zur Veröffentlichung von Tunnel-Protokollen. Ihre Gegner sehen das Recht ausgehebelt

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Stadtrat in Starnberg tut sich zunehmend schwer, seine Beschlüsse auch durchzusetzen. Das Gremium ist seit Amtsübernahme von Bürgermeisterin Eva John im Mai 2014 Stammgast der Kommunalen Rechtsaufsicht. Doch die Wirksamkeit an der Rechtsprechung der Behörde darf bezweifelt werden, denn John ignoriert die Haltung der Beamten zumeist. Längst ist man daher am Landratsamt dazu übergegangen, Beschwerden und Beanstandungen aus dem höchsten politischen Gremium der Kreisstadt zu sammeln und an die bayerische Landesanwaltschaft weiter zu leiten. Hier hat man bereits im Sommer ein Disziplinarverfahren gegen John eingeleitet, doch auf den Beginn des juristischen Verfahrens wird man voraussichtlich noch bis 2018 warten müssen.

Als weiteres Lehrstück in Sachen "Stadtratsbeschlüsse" kann die jüngste Sitzung des Gremiums am Montag gelten: Gleich viermal machte die Bürgermeisterin Beanstandungen als Begründung geltend, weshalb sie Beschlüsse des Stadtrats einfach nicht ausführte. Konkret geht es um die Novellierung der Geschäftsordnung für den Stadtrat, den seit Monaten geforderten Versand eines Protokolls eines Gesprächs im Innenministerium zum Komplex "Tunnel und Umfahrung" an alle Starnberger Haushalte, die Einsichtnahme in entscheidende Unterlagen zur Seeanbindung und den Erwerb von Büroeinheiten im "Centrum". Doch statt sich - wie die meisten Kommunen - im Zweifel an die Rechtsaufsicht zu wenden, lässt John unliebsame Beschlüsse lieber von externen Juristen prüfen. Im Rechnungsprüfungsausschuss ist man gespannt darauf, welche Summen für Honorare 2017 zusammenkommen.

"Materiell rechtswidrig" sei etwa der Beschluss des Stadtrats zur Novellierung der Geschäftsordnung, ließ John das Gremium am Montag wissen. Die Rechtsaufsicht sei zwar informiert, Unterlagen aber wollte John erst nachreichen, wenn der Stadtrat seinen Beschluss nicht aufhebt.

Die gleiche Argumentation erfolgte beim Punkt "Versand des Gesprächsprotokolls" zu Tunnel und Umfahrung, bei dem sich John auf die Bindungswirkung eines Verwaltungsgerichtsbeschlusses vom Sommer beruft: Das Protokoll, das die Entscheidung des Stadtrats zugunsten des B2-Tunnels statt einer Umfahrung darlegen soll, durfte zunächst nicht verschickt werden, weil WPS-Stadtrat Klaus Huber von der Abstimmung ausgeschlossen worden war. Allerdings hat das Gremium die Abstimmung längst wiederholt - mit Huber. Dennoch weigert sich die Bürgermeisterin weiterhin, das Papier bis zur vereinbarten Frist am 15. November zu versenden - auch, weil der Stadtrat angeblich einen unvollständigen Beschluss fällte.

"Zweifel an der Rechtmäßigkeit" hegt John auch an der Forderung des Stadtrats, Gesprächsprotokolle und ein aktuelles Gutachten zum Bahnvertrag von 1987 prüfen zu wollen. Monatelang hielt sie die Unterlagen unter Verschluss; seit Dienstag dürfen die Mandatsträger immerhin - zeitlich begrenzt - Einsicht nehmen in die brisanten Papiere zu Starnbergs wichtigstem Zukunftsprojekt, bei dem es um dreistellige Millionenbeträge zu Lasten der Stadt geht. Der Stadtrat muss sich bereits diesen Mittwoch in nichtöffentlicher Sitzung damit befassen, ob man einem Schlichtungsverfahren mit der Deutschen Bahn zustimmt.

Die Empörung über John ist jedoch ebenso groß wie die Hilflosigkeit. Stefan Frey (CSU) konstatierte, dass die Bürgermeisterin "Stadtratsbeschlüsse und Rechtssystem aushebelt"; Recht und Ordnung blieben auf der Strecke. Franz Sengl (Grüne) meint, dass John "den Stadtrat missachtet und Beschlüsse nicht umsetzt". Patrick Janik (UWG) stellt fest, dass John Unliebsames "hinauszögert und torpediert". Josef Pfister (BMS) dagegen meint, dass die Rechtsaufsicht nur aus einem Sachbearbeiter ("das ist gar kein Jurist") und einer Juristin bestehe, "die alle eineinhalb Jahre wechselt". Fazit: Um Beschlüsse durchzusetzen, bleibt dem Stadtrat offenbar nur die Kommunalverfassungsklage.

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