Politik:Eva John ignoriert Stadtrats-Beschlüsse

Vize-Bürgermeister Klaus Rieskamp legt nach Akteneinsicht ersten Zwischenbericht mit ernüchternden Erkenntnissen vor

Von Peter Haacke, Starnberg

Starnbergs Bürgermeisterin Eva John hat Beschlüsse des Stadtrates vom Juli 2016 nicht vollzogen und die Kreisstadt durch ihre Untätigkeit damit womöglich in eine schlechte Position im Hinblick auf dringend erforderliche Verhandlungen mit der Deutschen Bahn (DB) manövriert: Das ist das zentrale Ergebnis einer Akteneinsicht von Vize-Bürgermeister Klaus Rieskamp, der in der Vorwoche öffentlich über den Zwischenstand seiner Erkenntnisse berichtete. John sollte ein juristisches Gutachten über die Folgen des Auslaufens der Bahnverträge beauftragen und Gespräche mit DB-Verantwortlichen führen. Die Ergebnisse hätten - so der Beschluss des Stadtrats - bereits im Dezember 2016 präsentiert werden sollen. Doch diesem Auftrag ist John nicht nachgekommen. Mit dem elfseitigen Zwischenbericht Rieskamps, der vorerst aber unter Verschluss bleibt, platzt mitten ins Starnberger Sommerloch eine politische Bombe, die ihre wahre Brisanz voraussichtlich jedoch erst im September entfalten wird.

Der Vorgang wirft ein zwielichtiges Licht auf die derzeitigen Verhältnisse im Starnberger Rathaus. Anlass für die Akteneinsicht durch den Zweiten Bürgermeister war ein Beschluss des Stadtrats vom 24. Juli 2017, nachdem John dem Gremium ein Jahr lang keine Ergebnisse im Hinblick auf den Themenkomplex Deutsche Bahn und Seeanbindung vorgelegt hat. Rieskamp, der in insgesamt mehr als 45 Stunden Akten, Notizen und E-Mails auswertete, stellt fest: "Der Beschluss vom 25. Juli 2016 in Bezug auf Gespräche mit der Bahn wurde definitiv nicht ausgeführt." In Bezug auf die Erstellung eines juristischen Gutachtens zum Auslaufen der Bahnverträge "konnte ich den Vollzug des Beschlusses mangels Mitwirkungsbereitschaft der Bürgermeisterin nicht vollumfänglich prüfen". Doch es gibt noch weitere Ungereimtheiten in dieser dubiosen Angelegenheit, die detailliert aufgearbeitet werden müssen.

Laut Rieskamp erwies sich bereits die Akteneinsicht als "extrem schwierig". So lagen im Rathaus keine Akten mit fortlaufender Dokumentation vor. Eine Anweisung Rieskamps an die Dienststellenleiter zur Aktenvorlage waren von John postwendend wieder aufgehoben worden; erst mit erheblicher Verzögerung konnte Rieskamp seine Arbeit aufnehmen. Die aktuell im Urlaub weilende John teilte Rieskamp derweil mit, dass sie nur mit der Kommunalen Rechtsaufsicht, nicht aber mit ihrem Stellvertreter kommunizieren werde. Ein Brief, aus dem sich die Beauftragung eines Rechtsgutachtens am 18. April herleiten lassen sollte, wurde lediglich als beglaubigte Abschrift vorgelegt, die zudem an entscheidenden Stellen geschwärzt war.

Als "brisant" bezeichnet Rieskamp die Erkenntnis, dass die Deutsche Bahn Anfang Februar nach mehreren erfolglosen Schriftwechseln zwischen Stadtverwaltung und DB eine "klare Positionierung der Stadt als Voraussetzung für weitere Gespräche" gefordert hatte. Die DB brachte drei Optionen ins Spiel: Auflösung der notariellen Vereinbarung vom 23. Januar 1987 samt Folgeverträge; Weitere Umsetzung dieser Vereinbarung; Anpassung der Vereinbarung an zwischenzeitliche Entwicklungen. Erst auf "Grundlage einer verlässlichen Entscheidung der Stadt Starnberg erscheinen weitere lösungs- und ergebnisorientierte Gespräche sinnvoll und zielführend", heißt es. Unmissverständlich machte die Bahn deutlich: "Die Nichterfüllung vertraglicher Pflichten wird ( . . . ) weitreichende wirtschaftliche Folgen für die sich vertragswidrig verhaltende Partei haben" - also für die Stadt Starnberg. Von dieser Wende wurde der Stadtrat jedoch nicht in Kenntnis gesetzt, schreibt Rieskamp, "und konnte folglich nicht reagieren".

Rieskamp kommt zum Ergebnis, dass bislang weder das geforderte Gutachten vorliegt noch Gespräche mit DB-Verantwortlichen geführt wurden. Zudem habe John ihre "Informationspflichten gegenüber dem Stadtrat" nicht erfüllt. In einer ersten Reaktion konstatierte Martina Neubauer (Grüne), dass John mit ihrem Verhalten dem Stadtrat "erneut die Grundlage für eine vertrauensvolle, konstruktive Zusammenarbeit" - womöglich sogar zum Schaden von Starnberg - entzogen hat.

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