Pöcking:Vom biblischen Thema bis zur Abstraktion

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In der Klosterkirche Lambrecht in Rheinland-Pfalz hat Helmut Amann 1958 die Chorfenster gestaltet. (Foto: Fuchs)

An den Kirchenfenstern lässt sich die künstlerische Entwicklung Helmut Ammanns ablesen

Von Katja Sebald, Pöcking

Die aktuelle Ausstellung in der Galerie Ammann widmet sich dem Glaskünstler Helmut Ammann: Er schuf neben seiner Arbeit als Bildhauer und Maler im Laufe seines Lebens über siebzig Fenster für evangelische Kirchen in ganz Deutschland. Den ersten Auftrag führte 1934 im Alter von 27 Jahren in Naila aus, den letzten 1992 in Schweinfurt, neun Jahre vor seinem Tod. Die umfassende Dokumentation zur Ausstellung "Glas Fenster Kunst", mit Originalfenstern und Kartons sowie Großdias aus Kirchen, stellte den Nachlassverwalter, Galeristen und Ausstellungsmacher Erich Kasberger auch vor erhebliche technische Herausforderungen: Er entschied sich dafür, Originale wie Aufnahmen von hinten zu beleuchten, um sie zum Strahlen zu bringen.

In den sechs Jahrzehnten, in denen sich Ammann mit Glas beschäftigte, fand er für die Umsetzung biblischer Themen eine ganz eigene Bildsprache. Über die frühen Arbeiten schrieb er 1942 selbstkritisch: "Die bilderbuchartige thematische Ablesbarkeit steht zu sehr im Vordergrund. Wichtig ist zunächst das Wunder der farbigen Gläser zu erleben. Zu wenig bewusst beachtet ist das Atmen der Farben, sie müssen auch ihre Tiefenschwingung bewahren..." Die Entwicklung, die Ammann von sich selbst forderte und die er auch tatsächlich nahm, lässt sich in dieser Ausstellung eindrücklich nachvollziehen: Im Jahr 1938 setzt er bei den kleinformatigen Darstellungen der "klugen Jungfrauen" die Figuren noch strikt aus farbigen Glasflächen zusammen und zeichnet mit viel Schwarzlot nach. In der Weilheimer Apostelkirche spannt er noch 1954 in jedes Fenster ein biblisches Thema ein. 1962 entwirft er für die Lutherkirche in Giesing eine lichtdurchflutete Stadtarchitektur des Himmlischen Jerusalems, die sich über alle drei Fenster des Chors erstreckt. Die Flächen sind jetzt prismenartig aufgefächert und erinnern an ein Gemälde von Feininger.

Am Ende abstrahiert Ammann immer mehr: Es finden sich große Felder, in denen er sich ganz auf "das Wunder der farbigen Gläser", verlässt, indem er Nuancen des "vergeistigten" Blaus zu zarten wie starken Klängen fügt. "Kein anderes Material ist in seiner paradoxen Vielfältigkeit an sich schon so reich an Bedeutung wie Glas. Es ist zerbrechlich und fest, Wand und Öffnung zugleich", notiert er dazu.

Bis in die 1960er Jahre war die Kirche Hauptauftraggeber des 1907 in Shanghai geborenen, tiefgläubigen Künstlers. Neben den großen Kirchenaufträgen machte er sich aber auch bald mit Portraitbüsten einen Namen. Es folgten öffentliche Aufträge für Arbeiten in Stein, Holz und Bronze: Für die Stadt Starnberg etwa schuf Ammann den "Nepomuk" an der gleichnamigen Brücke. Er wurde unter anderem mit dem Albert-Schweizer-Preis und mit dem Preis der Bayerischen Volksstiftung ausgezeichnet. Seit den 1970er Jahren lebte er in Pöcking, von 1997 an richtete er mit seiner Lebensgefährtin Gisela Krauss van Erckelens ein Galeriehaus mit Atelier ein. Deren Tochter Marita Krauss und ihr Mann Erich Kasberger verwalten seit Ammanns Tod 2001 den Nachlass und lassen sein Werk in immer wieder neuen Ausstellungen weiterleben. "Glas Fenster Kunst" ist bis November 2016 nach Anmeldung unter Tel. 08157-8137 zu sehen.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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