Pöcking:Lauter kleine Könige

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Spielerisch bringt Großmeister Stefan Kindermann den Kindern das Schachspiel nahe. Es fördert Konzentration und strategisches Denken - zwei Eigenschaften, die Schülern heutzutage häufig fehlen

Otto Fritscher

Normalerweise wird hier geturnt mit Bällen, Reifen und Bändern. An diesem Dienstagvormittag geht es in der Turnhalle der Pöckinger Grundschule aber um Denksport, und als Übungsgeräte stehen Läufer, Turm und Springer parat. Auch die Lehrer sind nicht die üblichen, sie gehören nicht zum Kollegium von Schulleiterin Sabine Marggraf. Heute unterrichten Stefan Kindermann, seines Zeichens Großmeister im Schach, und Nationalspielerin Dijana Dengler die Schüler der ersten bis vierten Klassen, die es sich auf dem Boden der Turnhalle so bequem wie möglich gemacht haben.

Schachunterricht an der Grundschule Pöcking mit (von links) Großmeister Stefan Kindermann, Nationalspielerin Dijana Dengler und Sponsor Roman Krulich. Foto: Franz Xaver Fuchs (Foto: STA Franz X. Fuchs)

Gebannt verfolgen die Kinder die Schachshow, die Kindermann und Dengler routiniert, aber nicht routinemäßig bieten. Nach einem Ausflug in die Geschichte des Schachspiels, das vor mehr als 1500 Jahren in der indischen Stadt Kananuj von Sissa ibn Dahir erfunden und dann dem damaligen König geschenkt worden sein soll, fragt Kindermann: "Was darf eigentlich ein König?" Die Finger schnellen in die Höhe, und ein Bub antwortet: "Alles!" Die Antwort ist zumindest fürs Schach richtig, denn der König darf ja bekanntlich einen Schritt in jede Richtung machen. So erklären Kindermann - schwarzes Sakko, weißes Hem, schwarze Hose - und Dengler - schwarz-weiß gestreiftes Kleid - die Regeln, wie die einzelnen Figuren ziehen dürfen. "Professionell und kindgemäß" beurteilt Schulleiterin Marggraf den Unterricht der beiden Schach-Cracks. Die haben das allerdings nicht zum ersten Mal gemacht, denn die Münchener Schachstiftung hat bereits an vielen Schulen Schach-AGs initiiert, und Großmeister Kindermann ist eines ihrer Aushängeschilder.

Stiftungsgründer ist der Pöckinger Unternehmer Roman Krulich, selbst seit langem dem Reiz der 64 Felder verfallen. Und so hatte Krulich die Idee, am Sitz seiner Immobilien-Firma eine Schul-Schach-AG zu fördern, Bürgermeister Rainer Schnitzler stellte die Kontakte her.

Inzwischen beschäftigen die beiden Schach-Showmaster die Kinder mit schwierigeren Aufgaben. Wie muss sich der weiße König bewegen, um dem schwarzen Rivalen den Weg abzuschneiden? Und dann wieder eine Geschichte zur Auflockerung. Diesmal die bekannte Fabel, wie der Erfinder des Schachs den König bittet, auf jedes der 64 Felder immer die doppelte Anzahl Weizenkörner zu legen. 2 hoch 64 minus 1 oder 18.446.744.073.709.551.615 Weizenkörner lautet die richtige Antwort, die das Vorstellungsvermögen selbst von Kindermann übersteigen dürfte.

Schulleiterin Sabine Marggraf zeigt sich von der Aktion begeistert. "Wir haben schon etliche Anmeldungen für die Schachklasse, vielleicht müssen wir sogar zwei einrichten", sagt sie. Denn mehr als 18 Kinder können nicht in einer Gruppe von den Schachtrainern der Schachstiftung unterrichtet werden. Die Anmeldefrist läuft noch bis Donnerstag, und Schach konkurriert mit anderen Arbeitsgemeinschaften wie Hockey, Musiktheater und Computer. "Schach bietet viele Vorteile für die Schüler", erklärt Marggraf. Es fördere die Konzentration, das logische und strategische Denken und sei so eine "wertvolle Bereicherung des Schulalltags".

Dank der Unterstützung des Sponsors sei der Schachunterricht bis gegen Ende des Schuljahrs gesichert. Vielleicht bleibt dann das eine oder andere Nachwuchstalent bei einem der örtlichen Schachvereine, den Schachfreunden Starnberger See in Tutzing oder dem Starnberger Schachclub, hängen. Das sei aber nicht das primäre Ziel, betont Roman Krulich, der selbst auch ein guter Schachspieler mit einer Elo-Zahl von rund 2200 ist. Er spielt beim Münchner Verein mit dem hübschen Namen "Zugzwang". Auch Pöckings Bürgermeister Rainer Schnitzler verfolgt gebannt die Ausführungen des Großmeisters und dem Spiel der Figuren, das via Beamer auf eine große Leinwand übertragen wird, so dass auch die Kinder in den hinteren Reihen das Treiben auf den 64 Feldern mitbekommen. Schnitzler muss auf die Frage, wann er das letzte Mal Schach gespielt hat, nicht lange überlegen. "Das war in den Pfingstferien, da habe ich gegen meinen Sohn gespielt." Der ist elf, und Anfänger im Schach. Was allerdings nicht allzu schwer gewesen sein dürfte, denn Schnitzler hatte seinem Filius gerade erst die Regeln des Königlichen Spiels erklärt.

Zu einer Revanche ist es dann aber nicht gekommen - denn offenbar üben Fernseher, Handy und Computer doch eine größere Anziehungskraft auf viele Kinder aus.

© SZ vom 25.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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