Pöcking:Der Märchenkönig und die Technik

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Ludwig II. war fasziniert von Erfindungen. Von seiner Leidenschaft zeugen Telefon, Toilettenspülung, batteriebetriebene Lampen oder das erste Elektrizitätswerk der Welt, meint Experte Jean-Louis Schlim

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Technische Innovation: Die elektrisch illuminierte "Blaue Grotte" von Schloss Linderhof fasziniert noch heute Besucher aus aller Welt. (Foto: Imago)

König Ludwig II. gilt als Fantast, der Bayern mit seiner Bauleidenschaft in den Ruin getrieben hat. Der Buchautor und fundierte Ludwig-Kenner Jean Louis Schlim zeichnet ein ganz anderes Bild vom Märchenkönig: Zwar wäre Bayern auch ohne Ludwig II. zu einem Technikland geworden, meint der Autor, aber der König habe viele technische Neuerungen eingeführt, die zur damaligen Zeit einmalig gewesen seien.

Schlim ist ein regelmäßiger Gast von Veranstaltungen des Fördervereins Kaiserin-Elisabeth-Museum. Er hat sich fast sein ganzes Leben mit dem Märchenkönig befasst. Der Luxemburger zog 1977 sogar nach München gezogen, um vor Ort über den Bayernkönig forschen zu können. Seit 1986 darf er das Archiv der Wittelsbacher besuchen. Er ist nicht nur Autor von mehr als zehn Sachbüchern über die Wittelsbacher, er ist auch ein leidenschaftlicher Sammler und stellt seine Exponate regelmäßig für Ausstellungen zur Verfügung. Mit der Technikleidenschaft von Ludwig II. beschäftigt sich Schlim schon seit 1987. Das Thema habe ihn zeitlebens nicht mehr losgelassen und er sei zum "König-Ludwig-Technikpapst" geworden, sagte er. Vor Ort ließ er sich die Technik hinter den Kulissen zeigen und fotografierte seltene Ansichten. Über dieses umfassende Wissen hat Schlim ein Buch verfasst, das nun schon in der dritten Auflage erschienen ist.

Befasst sich seit mehr als 30 Jahren intensiv mit dem Leben des Königs Ludwig II.: Jean-Louis Schlim. (Foto: Nila Thiel)

Der These, Ludwig II. habe Bayern in den finanziellen Ruin getrieben habe, wiederspricht Schlim aufs Schärfste: Nach seinem Tod sei noch genug Geld dagewesen, versicherte der Autor. Aber in vieler Hinsicht sei der König ein technischer Vorreiter gewesen. Von seinem technischen Interesse zeugen beispielsweise das "Tischlein-deck-dich" auf Schloss Linderhof, der maurische Kiosk oder das dampfkesselbetriebene Schiff "Tristan" am Starnberger See. Weitere Beispiele seien die ersten Telefonanschlüsse auf Schloss Neuschwanstein oder die Warmluftzentralheizung, fließendes Heiß- und Kaltwasser oder die Toilettenspülung gewesen.

Für seine Kutsche hatte der König eine batteriebetriebene Lampe, die sich in Schlims Besitz befindet. Als technisches Wunderwerk gelten die Wasserspiele und das Beleuchtungskonzept auf Schloss Herrenchiemsee. Und für die künstliche Beleuchtung der Grotte auf Schloss Linderhof in mehreren Farben wurde das erste Elektrizitätswerk der Welt gebaut: Ludwig II. wollte die Grotte in einem Blau beleuchten, das dem von der Blauen Grotte auf der Insel Capri entsprach. Dieser spezielle Farbton wurde nach langen Forschungen entwickelt und stand laut Schlim später auch Pate für das Jeansblau.

"König Ludwig steht nicht nur für die Technik; ohne ihn gäbe es auch keine Jeans", sagt Schlim. Umfassende Technik war auch notwendig für den Bau des riesigen Wintergartens auf dem Dach der Residenz mit Grotte, Wasserfall, See, Fischerhütte, Kiosk und einem riesigen beleuchtbaren Gemälde, das das Himalaya-Gebirge zeigte. Dieses 80 Meter lange, 20 Meter hohe und 17 Meter breite "kleine Feenparadies" stand in einer wasserdichten Wanne. Der Nachteil war allerdings, dass die Erde jedes Jahr ausgetauscht werden musste, weil sie sauer wurde. Der Unterhalt war deshalb zu teuer, der Wintergarten wurde abgetragen. Er sollte im Englischen Garten wieder aufgestellt werden, doch die Firma MAN kaufte ihn. Sie verwendete ihn als Ausstellungshalle, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Und seine fantastischen Ideen wurden dem Märchenkönig letztendlich zum Verhängnis: Laut Schlim wurde sein Traum vom Fliegen als Beleg für seine angebliche Geisteskrankheit gesehen.

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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