Pöcking:Der Einzelwolf

Pöcking Schmalhof Kunstschnitzer Josek Nowak

"Skulpturen machen, das ist immer noch der einfachste und schnellste Weg, um Geld zu verdienen", sagt Jozek Nowak. Falls dahinter Koketterie steckt, weiß er das hinter einer grimmigen Miene sehr gut zu verbergen.

(Foto: Nila Thiel)

Kulturpreisträger Jozek Nowak ist die Bildhauerei in die Wiege gelegt worden: Schon als Kind spielte er im Wald mit Holz, Beil und Säge

Von Katja Sebald, Pöcking

"Bildhauer werden, das war das Einfachste", sagt Jozek Nowak. Und er sagt das so, als wäre es der einzig logische Beruf für den Sohn eines polnischen Waldarbeiters gewesen. "Holz war immer da, die Motorsäge war immer da und das Beil war immer da", fügt er noch hinzu, als wäre das schon eine ausreichende Erklärung. "Später habe ich dann natürlich noch an der Akademie Bildhauerei studiert." Ende November wird Jozek Nowak mit dem Kulturpreis des Landkreises Starnberg ausgezeichnet.

Ob ihm dieser Preis etwas bedeutet? Ob er vielleicht stolz darauf ist? Wenn ja, dann lässt er sich nicht anmerken beim Atelierbesuch im Gut Schmalzhof bei Pöcking. Wobei ja schon "Atelier" zu viel gesagt ist, denn er hat dort kaum mehr als einen Verschlag, in dem er seine Skulpturen bei schlechtem Wetter unterstellt. Bei gutem Wetter - und für ihn ist fast jedes Wetter gut - stehen sie unter den hohen Bäumen auf der Wiese, wo er sie mit der Motorsäge und dem Beil gerade so lange bearbeitet, bis aus den unbehauenen Stämmen unverwechselbare Menschen geworden sind. Sie zeichnen sich vielleicht durch ein markantes Profil aus, vor allem aber durch ihre Körperhaltung, Kleidung und Frisur, nicht aber unbedingt durch bis zuletzt ausgearbeitete Details ihrer Physiognomie.

"Das Wichtigste ist der erste Blick", sagt Nowak, der die Menschen, die er porträtiert, immer in ihrer vertrauten Umgebung besucht. Manchmal macht er noch ein paar Handyfotos als Gedächtnisstütze, fertigt aber keine Zeichnung, keinen Entwurf an. Motorsäge, Beil, der Arbeitsplatz im Freien: Mehr braucht er nicht. Nowak will, das alles so einfach wie möglich ist. Was zählt, sind die Figuren. Dass sie gut werden. Gut für ihn selbst, nicht für die anderen. "Mich interessiert das Innere des Menschen", sagt er. Im Lauf der Jahre hat er gelernt, es schneller zu erfassen als früher - das gilt nicht nur für die Bildhauerei, sondern auch für das übrige Leben. "Skulpturen machen, das ist immer noch der einfachste und schnellste Weg, um Geld zu verdienen", sagt er. Und wenn es in diesem Satz doch ein gewisses Understatement oder gar Koketterie gibt, dann weiß er das hinter einem grimmigen Gesichtsausdruck sehr gut zu verbergen. Und er poltert gleich noch hinterher: "Ich interessiere mich nicht für andere Künstler oder für Preise, die man gewinnen kann. Ich bin ein absoluter Einzelwolf."

Jozek Nowak wurde 1962 in einem Wald irgendwo südlich von Krakau geboren. Und das meint er ganz wörtlich: Seine Eltern haben es für die Geburt nicht rechtzeitig ins Krankenhaus geschafft. Seit 1994 lebt er in Deutschland, zunächst in München. Doch das Stadtleben war nichts für ihn. Durch einen Zufall kam er nach Pöcking. Die Gegend erinnerte ihn an Zuhause: "Die Landschaft und die Menschen hier habe ich sofort verstanden, lange bevor ich die Sprache gelernt habe." Er fing an, seine Figuren zu verkaufen. Die meisten waren und sind immer noch Porträt-Aufträge. Immer noch fährt er regelmäßig tausend Kilometer in seinen Heimatort Jordanow, um Holz zu holen. Und manchmal arbeitet er jetzt auch wieder dort im Wald, in dem er geboren wurde. Die Skulpturengruppe "The Messengers", Auftragsarbeit für eine Galerie, hat ihn bekannt gemacht: 13 Friedensbotschafter des 20. Jahrhunderts reisen nun durch die Welt und werden an öffentlichen Plätzen gezeigt. Eine andere, jüngst entstandene Figurengruppe stellt zehn Obdachlose aus Krakau dar, die er in einer Suppenküche traf. Ihre Gesichter sind erschreckend grob belassen, die Spuren der Kettensäge auf ihren gekrümmten Körpern wirken wie Scharten, die das Leben hinterlassen hat.

Das Holz, die Motorsäge und das Beil. Und jetzt also der Kunstpreis. Jemand aus Pöcking hat ihn vorgeschlagen, seine Frau hat ein paar Unterlagen herausgesucht, als er verreist war. "Dann bin ich jetzt wichtig", soll er nur gesagt haben, als ihn Barbara Beck vom Landratsamt endlich am Handy erreicht hatte, um ihm zu gratulieren. "Die Menschen hier haben mir immer sehr geholfen, Pöcking ist meine zweite Heimat geworden", sagt Jozek Nowak endlich. Und dann doch noch: "Ich freue mich sehr über den Preis."

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