Pippo Pollina in Starnberg:Lieder mit Botschaft

Starnberg SBH, Konzert Pippo Pollina

Singt gegen Korruption und Umweltzerstörung an: Pippo Pollina bei seinem Auftritt in der Schlossberghalle.

(Foto: Georgine Treybal)

Der italienische Songpoet stellt in der Schlossberghalle sein Buch "Verse für die Freiheit" vor, spricht über Silvio Berlusconi und spielt anrührende wie mitreißende Musik

Von Katja Sebald, Starnberg

Natürlich singt er an diesem Abend. Auf Italienisch, auf Sizilianisch, auf Deutsch und schließlich auch noch auf Bairisch. Dann holt er sich noch zwei Sängerinnen auf die Bühne, die so schön singen, dass man Gänsehaut bekommt. Er selbst spielt außerdem Gitarre, Klavier und eine Rahmentrommel. Ein normales Konzert ist dieser Abend trotzdem nicht, denn Pippo Pollina hat eine Botschaft. Eine Botschaft gegen Korruption, Misswirtschaft, Umweltzerstörung, für ein besseres Miteinander und für eine bessere Zukunft und, ja, für die Freiheit: "Versi per libertà", Verse für die Freiheit, heißt eines seiner bekannten Lieder. Und genau so heißt auch sein 2017 erschienenes Buch, das er auf seiner Deutschlandtour in der Starnberger Schlossberghalle vorstellte.

Dieses Buch sei "eine Art Biografie" sagt Pippo Pollina eingangs, ein Buch, in dem er alles aufgeschrieben hat, was ihm wichtig ist und was nicht in Vergessenheit geraten soll. Das ist zum einen seine eigene Geschichte: Er wurde 1963 in Palermo geboren und engagierte sich früh mit journalistischen Texten und einer Band gegen die alle Lebensbereiche durchdringende Mafia. Als sein Mentor Giuseppe Fava 1984 von der Mafia ermordet wurde, beschloss er, Sizilien zu verlassen und die Freiheit zu suchen. Pollina lebt heute in der Schweiz, aber immer noch singt er gegen die Missstände in seinem Heimatland und in der Welt an. Nicht nur Giuseppe Fava, sondern auch dem Umweltschützer Bruno Manser, der in Malaysia auf ungeklärte Weise verschwand, hat er mit einem Kapitel in seinem Buch ein Denkmal gesetzt, dazu zeigt er jeweils dokumentarische Filmaufnahmen und spielt ein passendes Musikstück. Zwischendurch erzählt und liest er auch Anekdotisches: Von Heike, die ihm als offizielle Betreuerin zur Seite gestellt wurde, als er Anfang der 1980er Jahre in Ostberlin spielen durfte. Von Wilhelmshaven, wo er, von Sehnsucht nach dem Meer geplagt, den Strand suchte. Und von einem Onkel, der als Gastarbeiter in der Messerstadt Solingen arbeitete und dem jungen Sizilianer den Roman "Unterm Rad" von Hermann Hesse schenkte.

Der machte daraus Jahre später sein Lied "Sotto la ruota". "Unterkriegen lasse ich mich nicht", singt er darin. Und weil in wenigen Tagen in Italien gewählt wird, spricht er auch über Berlusconi. Gar nicht anekdotisch, sondern sehr ernst: In Deutschland kenne man vor allem die folkloristischen Aspekte seiner Politik, tatsächlich aber sei ihm nicht weniger als der intellektuelle Niedergang Italiens zu verdanken. Er habe Korruption salonfähig gemacht und die Vormachtstellung einer herrschenden Klasse etabliert, ohne jemals Zwang anwenden zu müssen.

Sehr ernst ist Pollina auch, wenn er von seiner Zusammenarbeit mit Konstantin Wecker Anfang der 1990er Jahre berichtet, auf dem Höhepunkt von dessen Erfolg, aber auch von dessen Drogenabhängigkeit. Die eingespielten Aufnahmen von den gemeinsamen Konzerten sind eindrückliche Zeugnisse einer großen musikalischen Begegnung, aber auch einer menschlichen Tragödie.

Ganz anders hingegen die Geschichte von jenem freundlichen Konzertbesucher, der ihm in einem kleinen Club in Bad Aibling eine gerissene Gitarrensaite wechselte und dann auch noch ein gemeinsames Lied mit ihm spielen wollte: Alle im Saal kannten Werner Schmidbauer, nur Pollina selbst kannte ihn nicht. Aus dem gemeinsamen Lied wurde ein ganzes Album mit dem Duo Schmidbauer & Kälberer und eine Tournee mit großem Finale in der Arena di Verona im Jahr 2013.

Und schließlich der deutsche Winter, "un freddo da morire": Pippo Pollina und seine drei sizilianischen Mitstreiterinnen hatten mit der Kälte zu kämpfen. Anna Maria Sotgiu war krankheitsbedingt ganz ausgefallen, auch die Liedermacherin Roberta Prestigiacomo, die zusammen mit ihrer Schwester auftrat, kämpfte mit einer Erkältung. Es müsse deshalb "ein improvisiertes Konzert" werden, sagte Pollina eingangs. Das war es vielleicht, aber es war musikalisch herausragend, es war anrührend, melancholisch und mitreißend zugleich. Alles andere also als ein normales Konzert.

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