Neuer Trend im Fünfseenland:Herberge mit Familienanschluss

Statt Jugendgruppen quartieren sich immer mehr Eltern mit ihren Kindern in Possenhofen ein

Von Amelie Plitt, Pöcking

Klapprige Doppelstockbetten, labbrige Sternsemmeln zum Frühstück und Bäder auf dem Gang. Daran denken immer noch viele, wenn sie Jugendherberge hören. Doch diese Zeiten sind längst passé. Das zeigt ein Besuch in Possenhofen: Familienurlaub ist hier der neue Trend. "Davon, dass in der Jugendherberge ausschließlich lärmende Schulklassen unterkommen, kann nicht mehr die Rede sein", sagt Herbergsleiter Christian Burggraf. Zurzeit sind bis auf eine Jugendgruppe nur Eltern mit Kindern in seiner Herberge zu Gast.

Der Anteil an Familien stieg laut Burggraf in den vergangenen Jahren kontinuierlich: Im Sommer 2014 übernachteten 13 Familien in seiner Jugendherberge, ein Jahr später waren es schon 22 und heuer sind es sogar 34 Familien. Und auch auf das Jahr verteilt, sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: Ein Fünftel der Gäste waren 2015 Familien. Längst kommen diese nicht mehr nur aus dem näheren Umfeld, sondern aus ganz Deutschland, manchmal sind auch schweizerische, französische oder österreichische Familien zu Besuch. Die meisten bleiben laut Burggraf auch nicht mehr nur für ein verlängertes Wochenende, sondern gleich ein bis zwei Wochen. In den Ferien herrscht "familientechnisch Hochsaison", so der 35-jährige Herbergsleiter.

Dass ein frischer Wind in der Jugendherberge Possenhofen weht, verdeutlichen auch die neuen familienfreundlichen Angebote. Zwar hat die Jugendherberge nicht, wie über 100 andere in ganz Deutschland, das Prädikat "Familien-Jugendherberge", sie bietet aber seit diesem Jahr verschiedene Freizeitpakete für diese Zielgruppe an: Es gibt Pauschalangebote wie eine Zeltnacht am Starnberger See, familienfreundliche Fahrradtouren durch ganz Bayern oder zu Sylvester eine Fackelwanderung für Eltern und Kinder. Nächstes Jahr soll das Angebot wegen der großen Nachfrage sogar noch ausgeweitet werden.

Familie Nordhausen aus Darmstadt, die gerade in der Jugendherberge Possenhofen Urlaub macht, ist begeistert vom Angebot des Hauses: Für einen Tag lieh sich das Ehepaar mit den drei Kindern ein Kanu für eine Tour auf dem Starnberger See. Jetzt sitzt die Familie vor einer großen Landkarte auf der Terrasse der Jugendherberge und plant die nächsten Tage. Vielleicht geht es nach München in den Englischen Garten oder ins Buchheim Museum. Die Mitarbeiter der Herberge geben ihnen wertvolle Tipps. "Sie wissen einfach, welche Ausflüge kindgerecht sind", sagen die Eltern dankbar. Auch der Zeltplatz ist für sie wie für viele andere Familien ein Pluspunkt: "Normale Campingplätze sind uns zu groß und haben zu viele Dauercamper", sagt Vater Henrik Nordhausen. Entscheidend ist für ihn und seine Frau auch, dass sie Frühstück und Abendessen, anders als auf gewöhnlichen Campingplätzen, nicht selbst zubereiten müssen. Hier können sie zum Essen einfach in die Jugendherberge gehen.

Für Markus Ruoff aus Ludwigsburg, der mit seinen zwei Söhnen Ferien auf dem Zeltplatz der Herberge macht, ist der Urlaub auch deshalb angesagt, weil er den Geldbeutel schont. Ruoff ist aber vor allem von den vielseitigen Beschäftigungsmöglichkeiten im Haus selbst begeistert. Da könnten Hotels oft nicht mithalten, meint der Ludwigsburger. Gerade sitzt Ruoff mit seinen beiden Jungs in einem der Gemeinschaftsräume der Jugendherberge und spielt die "Siedler von Catan". Die beiden lieben es, Brettspiele auszuprobieren oder zu kickern. Bei dem wechselhaften Wetter in diesem Jahr ist das eine echte Beschäftigungsalternative, wenn die Kinder mal nicht vor die Tür können. Der Familienvater selbst genießt an dem Urlaub in der Jugendherberge besonders, dass "alles unkomplizierter ist, als in einem Hotel und man auch mal leger rummarschieren kann". Für ihn sei die Einrichtung direkt am See der ideale Ort, um "vom Alltag mal richtig runterzukommen".

Viele Familien buchen aber lieber ein Zimmer in der Jugendherberge. So auch Familie Knauf aus der Eiffel. Von 33 Zimmern haben 15 eine eigene Dusche und WC. Sie werden am liebsten von Familien gebucht und seien am schnellsten belegt, weiß Burggraf. Ehepaar Knauf genießt es, dass die beiden Söhne in der Jugendherberge sofort Anschluss gefunden haben. "Der Aufenthalt ist im Vergleich zum Hotel geselliger, wir haben schon jetzt viele nette Familien kennengelernt", erklärt Vater Björn. Die Eltern Knauf sitzen im Eingangsbereich der Herberge, um sie herum nicht nur Sohn Justus, sondern auch zwei neue Freunde, die der Bub hier kennengelernt hat. Die Eltern mögen an dem Aufenthalt in der Jugendherberge, dass auf dem Gelände alles überschaubar ist und die Kinder nicht weglaufen können. "So fühlen sie sich frei und auch wir als Eltern können entspannen", erzählt Mutter Elcin. Und wenn es mal lauter werde, falle das niemandem negativ auf. Und auch wenn die Knaufs schon echte Jugendherbergsprofis sind und in den vergangenen Jahren schon sechs Mal, von Norderney bis in den Süden nach Possenhofen, Jugendherbergen ausprobiert haben, möchten sie sich ab und an einen Urlaub im Hotel gönnen.

Denn klar ist, in einer Jugendherberge müssen Abstriche im Komfort gemacht werden. "Wir putzen zum Beispiel nicht jeden Tag die Zimmer und der Gast muss sein Bett nach wie vor selbst beziehen", erklärt der Herbergsleiter. Für ihn zählt aber, dass das Haus auch eine gewisse Tradition aufrechterhält, bei der der Gast miteinbezogen wird und ein paar Handgriffe noch selbst erledigt. Diese unkonventionelle, lockere Urlaubsweise komme bei den Familien an, so Burggraf. Das zeigen ihm auch die Stammgäste, die er jedes Jahr wieder willkommen heißt. Gleichzeitig spricht sich der Trend, Urlaub in der Jugendherberge zu machen, bei Familien herum: Der Herbergsleiter lernt immer wieder Feriengäste kennen, die auf Empfehlung von Freunden nach Pöcking kommen.

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