Nepomuk:Das kleine Glück

Lesezeit: 1 min

Die S-Bahn-Fahrgemeinschaft trifft sich um 7.22 Uhr in Gauting, zuletzt zur Weihnachtsfeier. (Foto: privat)

Eine S-Bahn-Fahrgemeinschaft feiert Weihnachten morgens in der Bahn - mit selbstgeschreinerten Tischen, Christstollen und Musik. Eine feine Sache

Von Eurem Nepomuk

Weihnachten also. Wenn ich mir die Lage einmal genauer betrachte, dann muss ich doch sagen, dass die Menschen heute viel mehr unterwegs sind als damals. Vermeintlich freiwillig, ohne Befehl zur Volkszählung, was die Sache allerdings nicht besser macht. Mir scheint, die meisten Erdenbewohner haben die Freude am Reisen verloren. Nur der große Sommerurlaub zählt als echte Reise, da wird schon am Flughafen der Erstbeste angequatscht. Die tägliche Strecke von A nach B indes muss - obwohl im Warmen und auf Polstern sitzend - möglichst schnell, ohne überflüssige menschliche Kontakte absolviert werden. Besonders beliebt ist es, vermeintlich optimiert schon in der Bahn an einem Gerät zu arbeiten oder im Auto zu telefonieren. Bloß nicht einfach nur unterwegs sein, sondern schnellschnell von einem Stall zum anderen und wieder zurück. Da hatte die hochschwangere Maria mit ihrem Josef auf ihrem beschwerlichen Weg nach Bethlehem wahrscheinlich mehr Freude!

Ist schon klar, Deutsche Bahn und Freude - das geht nicht immer zusammen. Aber man kann es versuchen. Ob ihr es glaubt oder nicht, am Donnerstag hat eine Gruppe S-Bahnfahrgäste im Zug Weihnachtslieder gesungen. Und damit nicht genug, sie haben ihre Fahrt zu einem Fest gemacht, hatten in wochenlanger Vorbereitung Tische geschreinert, Stollen und Plätzchen gebacken, schließlich Glühwein gebrüht, Instrumente, Noten und Liedertexte eingepackt. Ein Vortrupp fuhr eigens mit einer früheren Bahn nach Tutzing, um für die ganze Mannschaft ein 8er-Abteil zu reservieren. Dann zündete man ein Kerzerl an, stimmte die ersten Töne an. Und

jetzt ratet mal, was passiert ist: Die anderen Fahrgäste haben ihre Geräte in den Taschen gelassen, ihre Telefone eingeschoben und haben sich dazugesellt und mitgesungen. Viel zu schnell war die Fahrt bis zum Marienplatz vorbei. Gleisarbeiten und sonstige Zwischenfälle, die auf der Strecke häufig für Verspätungen und schlechte Stimmung sorgen, an diesem stimmungsvollen Morgen aber niemanden gestört hätten - sie blieben freilich aus.

Warum ich Euch das erzähle? Damit ihr Euch entspannt, nicht gleich wieder losspurtet, um noch schnell Geschenke und anderes Zeug zu shoppen. Das kleine Glück kann so einfach sein. So denn: Macht Euch jetzt bereit, es ist gleich Weihnachten und das Liederbuch nicht vergessen, bittet euer nepomuk

© SZ vom 24.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: