Nachbericht:Auf den Spuren der Nomaden

Gauting Bosco, Konzert Vielklang

Klangzauberer am Werk: Das Quartett "Sedaa" bei seinem Auftritt im Kulturzentrum Bosco.

(Foto: Georgine Treybal)

Das Ensemble "Sedaa" beschwört im Gautinger Bosco mit Pferdekopf- und Bassgeige, Hackbrett und uralten Gesangstechniken die Weite der Musik zwischen Orient und Mongolei

Von Reinhard Palmer, Gauting

Das Ensemble besteht gleichsam aus drei Anteilen Steppe und einem Anteil Wüste. Und das ist insofern relevant, als dies zusammen eine große Weite ergibt, die diese Musik in für unsere Ohren exotischen Klängen vermittelt. Das Verlorensein darin ist in der Melancholie und einer gewissen Monotonie deutlich spürbar. Was drei Mongolen und ein Perser auf der Bühne des Gautinger Bosco da kreierten, war aber auch sinnenfreudig und von tiefer Empfindung.

"Sedaa", so der Name der vielfach preisgekrönten Formation, bedeutet auf Persisch "Stimme". Dies bezieht sich wohl nicht nur auf die Gesangsstimmen, die zweifelsohne im Vordergrund standen, sondern auch auf die Instrumente. In erster Linie war es die mongolische Pferdekopfgeige, gespielt von Nasaa Nasanjargal, die emotional zu singen vermochte. Ebenso die mongolische Bassgeige von Naraa Naranbaatar, die wie die Pferdekopfgeige mit nur zwei Pferdehaar-Saiten auskommt und genauso mikrotonal gestrichen wird. Das mongolische Hackbrett spielte in den Händen von Ganzorig Davaakhuu eine Doppelrolle. Oft beschränkte sich sein Einsatz auf rhythmische Begleitfiguren, konnte aber auch rasant-virtuos aufdrehen oder im Tremolo weitschweifende Melodien singen. Der Iraner Omid Bahadori war vor allem für die weltmusikalische Vielfalt zuständig. Mit Gitarre und diversen Perkussionsinstrumenten wie Cajón - bekannt vor allem aus dem Flamenco -, Rahmentrommel, afrikanischer Djembé, pakistanischer Trommel, Becken, Triangel et cetera sorgte er für eine klangliche Öffnung des musikalischen Spektrums.

Die prägende Besonderheit des Ensembles Sedaa liegt in den uralten traditionellen Gesangstechniken, die dem Klang eine entrückte Charakteristik verleihen. Vor allem dem Kehlgesang, der mit seiner metalischen Eindringlichkeit die Grundlage bot. Für die reiche Klangfarbigkeit sorgten Ober- und Untertongesang. Während letzterer mit seiner extrem tiefen Lage bis in die Eingeweide geht, entwickelten die zart flötenden Obertöne eine schwebende Leichtigkeit, die den Gesamtausdruck wieder ausbalancierte und zu einem sich dynamisch formenden Klangraum erweiterte. Auch wenn sich dieser sonor tönende Körper im Detail reichhaltig veränderte, geschah dies stets innerhalb dieser homogenen, magischen Charakteristik.

Die humorvollen Ansagen halfen über das Sprach-Dilemma hinweg. Gelegentlich ging es in den Nomaden-Gesängen auch um Liebe, vor allem aber um Pferde und ums Kamel. Dass in der Musik der Mongolei das Pferd (genauso wie in den Wüstenstaaten vor allem das Kamel) eine herausragende Rolle spielt, war nicht zu überhören. Nicht nur, wenn Nasanjargal an der Pferdekopfgeige das Pferdewiehern überzeugend nachahmte. Immer wieder verfiel der Rhythmus ins Galoppieren, bestimmte aber auch in der trabenden Einförmigkeit die Monotonie vieler Lieder. Ihr gesanglicher Duktus ist eindeutig erzählerisch, weniger auf Melodien bedacht. Und doch wurde es niemals eintönig oder gar langweilig. Jeder Ton fesselte mit seinem Klangzauber und packte mit seinem dahintreibenden Groove.

Die weltmusikalische Erweiterung brachte aber auch andere Klangerlebnisse ins Spiel. Etwa mit einer persischen Ballade, deren Harmonik in Bahadoris Gitarrenspiel deutlich im Flamenco verwurzelt war. Es waren vor allem die persischen Lieder, die melodischere Gesänge anboten. Die auffallende Gemeinsamkeit: In der Musik fehlte, was wir als Heiterkeit empfinden. Sie ist in der Musik Vorder- und Zentralasiens offenbar in eine andere Atmosphäre gehüllt. Das Publikum zeigte sich dennoch vergnügt, vor allem aber fasziniert und begeistert. Lang anhaltender Applaus und drei Zugaben.

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