Gründerin hört auf:Gedrückte Stimmung bei der Starnberger Tafel

Gründerin hört auf: Bei der Starnberger Tafel können sich bedürftige Menschen kostenlos Lebensmittel holen. Auch Obst und Gemüse gibt es dort.

Bei der Starnberger Tafel können sich bedürftige Menschen kostenlos Lebensmittel holen. Auch Obst und Gemüse gibt es dort.

(Foto: Peter Widmann/Imago)

Edith Clemm fehlt. "Sie ist hier die Seele gewesen", heißt es bei der Verteilung der Lebensmittel bei der evangelischen Kirche

Während in der Starnberger Maximilianstraße die teuren SUVs parken, die Damen Gucci-Handtäschchen tragen und bei Feinkost Schindler einkaufen, sieht die Welt eine Straße weiter völlig anders aus. Es ist Donnerstag. Für diejenigen, die kaum genug Geld zum Leben haben, ein wichtiger Tag. Denn heute hat die Starnberger Tafel ihre Tische im Hof der evangelischen Kirche aufgebaut und bietet Obst, Gemüse, Brot, Joghurt und was die Geschäfte so gespendet haben. Wer will, kann aber auch eine warme Mahlzeit bekommen. Für viele ist der Donnerstag ein Festtag. Doch heute ist die Stimmung gedrückt. Die Gründerin der Hilfsorganisation, Edith Clemm, fehlt. 17 Jahre lang ist sie sommers wie winters jede Woche da gewesen, hat sich um Mitarbeiter und Gäste gekümmert, mit allen ein paar Takte geredet. Doch am Dienstag hat sie sich von "ihrem Kind" zurückgezogen, Schlüssel und grüne Schürze abgegeben und den Verantwortlichen gesagt: "Das ist nicht mehr meine Tafel, die ich gegründet habe."

Viele hier auf dem Hof sind traurig darüber. Das spürt man gleich. "Es ist sehr schade. Aber sie hat am Schluss oft geweint, weil der Wagner und andere unmöglich mit ihr umgesprungen sind", sagt eine Kundin. "Sie ist hier die Seele gewesen." Die Frau geht seit vielen Jahren zur Tafel in der Kaiser-Wilhelm-Straße und will bei der geplanten Vereinsgründung gegen Wagner stimmen. "Ich gehöre zur Opposition", sagt sie selbstbewusst und schiebt ihren Trolley vom Platz. An einem Esstisch sprechen ein Mann und eine Frau auch über den Streit. "Schade, dass die Clemm weg ist", meinen sie. Thema ist ebenso die Vereinsgründung, und wie es dann wohl weitergeht mit allem.

"Es bleibt alles beim Alten", da ist sich eine Helferin sicher. Sie meint, Clemm sei gegangen, weil sie "ja schon alt und wohl auch krank " ist. Eine ältere Münchnerin bedauert, dass die einstige Chefin nicht mehr mitwirkt. Seit der neue Tafelchef Detlev Wagner Ausweise eingeführt hat, hat die Rentnerin offenbar Probleme, Lebensmittel zu bekommen. Diesmal isst sie nur zwei Semmeln. Danach holt sie sich als Nachschlag noch einen Nikolaus. "Dafür musste ich aber betteln", sagt sie. Die Besucherin glaubt, dass sich Wagner jedes Gesicht genau merkt, das auf dem Hof der Tafel auftaucht. Er redet gerade angeregt mit einer Helferin am Obststand und hat trotzdem alles genau im Blick. Er begrüßt lässig einen Afrikaner per Handschlag und probiert später einen Krapfen am Tisch, wo auch Gulaschsuppe und Becher mit Tee für Bedürftige ausgegeben werden.

Es herrscht eine besondere Stimmung. Die Menschen sagen wenig, viele wirken bedrückt und halten dankbar ihre Tüten auf, wenn sie an der Reihe sind. Denn sie müssen in der Schlange warten. Bedient wird nur, wer einen Ausweis hat.

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