Mutig im Hörfunk:Der Rebell von Bayern 3

Radiomoderator Matthias Matuschik; Radiomoderator Matthias Matuschik

Minimalausstattung für den DJ: Matthias Matuschik zuhause am Wörthsee mit Plattenspieler und Discokugel.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Matthias Matuschik gehört zu den ganz wenigen Radiomoderatoren in diesem Land, die sich was trauen. Doch bald könnte Schluss sein mit der Show. Den Mann aus Weiden, der mittlerweile am Wörthsee lebt, zieht es nach Panama

Von Gerhard Summer, Wörthsee

Ach, wie schräg ist diese Show. Matuschke poltert und schreit, sein dreckiges Lachen geht ab und an in Raucherhusten über. Das Verkehrs-Update ist schnell erledigt: "Nix los. Bravo. Weitermachen." Sängerinnen nennt er gern Miezekatzen, irgendwann kommt er auf Donald Trump zu sprechen, den "Außerirdischen", der bei einem Besuch im sturmgebeutelten Puerto Rico Küchenrollen in die Menge warf. Wäre Beyoncé nicht besser als Präsidentin? "Biyonntze for President" ruft der Moderator und gönnt sich noch mal den Spaß, den Namen möglichst falsch auszusprechen. Zwischendrin gibt's wundersame Musik von Portugal. The Man und Liquido.

Es ist schon länger her, da hat ihn eine Hörerin angerufen und die Frage gestellt, ob er bekifft sei. Das Lustigste daran war, dass die junge Frau selbst so klang, als hätte sie einen im Tee. Ja gut, in ein paar Jahren ist womöglich Schluss mit dieser Show, dem "Liebling der Woche" und den Musik-Manicas, die immer so schwierige Fragen beantworten müssen. Und dann liegt Matthias Matuschik, der das deutsche Wetter satt hat und dem die AfD und die neuen Nazis zuwider sind, womöglich an einem zuckerweißen Strand. Vielleicht in Panama.

Bis es so weit ist, kann man ihn noch am Wörthsee treffen. Der 52-Jährige, der seinen Spitznamen Matuschke dem Hörfunk- und Fernsehautor Lou Astor verdankt, dem Bruder des Blödelmeisters Willy Astor, lebt dort seit März dieses Jahres. Er wirkt eher verloren in dem sparsam eingerichteten Wohnzimmer. Ganz so, als wäre er noch nicht richtig angekommen. Das Haus ist für drei Jahre gemietet, die Eigentümer sind auf Weltreise. Wie er auf Wörthsee kam? Das ist so eine Geschichte, die wohl typisch ist für diesen Radiomoderator und Kabarettisten. Matuschik wohnte vorher in Obermenzing und ließ zum Lüften das Fenster gekippt, auch wenn er nicht zuhause war. Die Vermieterin fand das nicht lustig, so was sei doch eine Einladung für Einbrecher. Das Ganze ging hin und her, bis Matuschik der Frau einen Link zum Psychiater schickte. Damit war die Sache erledigt. Die Frau warf ihn raus.

Ja, so ist er, der Matuschke, so sieht er sich wohl auch selbst: einer, der sich, pardon, gar nichts scheißt, und auf politische Korrektheit pfeift. Der schon mal kräftig daneben haut und bei einem Flussfestival in Wolfratshausen sagt, dass Raucher in abgesperrte Bereiche abgeschoben werden, in ein "Rechteck für asoziale Menschen", so ein "Judenkarree". Der an einem Neujahrsabend in seiner Heimatstadt so ausgiebig Witze über Intimrasuren und anderes macht, dass 80 Leute samt Bürgermeister flüchten. Und in Pasing eine Demo der rechtsextremen Partei "Die Rechte" mit Spottgesängen torpediert. Wofür es dann ausnahmsweise von allen Lob gab, außer natürlich von den Rechten.

Nein, Matuschke ist keine Kunstfigur, "ich verstell' mich nicht". Dass er als Kabarettist an der Seite von Susanne Rohrer oder in seinen Soloprogrammen unbeirrt mit dem ganz großen Dampfhammer arbeitet und als Radiomoderator so flapsig oder grob ist, dass es gelegentlich weh tut, polarisiert natürlich. Die einen halten ihn für einen Rabauken am Mikro, für einen Spinner oder ausgeflippten Quatschkopf. Für die anderen ist er ein Held. Der wilde Hund aus Weiden. Der Bayern-3-Rebell.

"Bei mir war immer der Weg das Ziel", sagt er. Natürlich habe er sich beim Radio und bei Morningshows beworben. Dass Matuschik genommen wurde, habe ihn "aber schon überrascht". Der Sohn eines Architekten und einer Hausfrau hatte Bauzeichner gelernt. Doch der Oberpfälzer arbeitete nie in dem Beruf, denn Pläne von Häusern anzufertigen, war "entsetzlich". Mit 18 verpflichtete sich für vier Jahre bei der Bundeswehr. "Ich habe gedacht, die zahlen richtig gut Geld." Mit 24 bekam er ein Volontariat beim Weidener Radio Ramasuri, "da war klar, des is meins, da hat er sich gefunden", sagt Matuschik über Matuschik.

Er wechselte zu "Radio Ton", "Antenne 1" und "Radio Gong." Er kam zur legendär frechen Popwelle des Südwestfunks, SWF3, "da war ich praktisch der Fritz Egner, der ständig neue Platten vorstellte". Er landete bei Bayern 3 und blieb erst mal fünf Jahre. Er arbeitete für WDR 2, ging zum Fernsehen und versuchte sich ein halbes Jahr lang mit Sonya Kraus als Moderator einer Heimwerkersendung auf Pro Sieben, "das war die Hölle". Im Oktober 2008 schließlich bekam er seine Sendung bei Bayern 3. Nein: seine Show! "Der andere Abend", das war das pure Glück. Ganz so, als hätte der liebe Gott das ewig gleiche Hitgedudel und die öden Kalauer nicht mehr hören können und endlich einen anständigen Moderator geschickt. Matuschik kommentierte ein Fußballspiel und aß dabei so laut Kartoffelchips, dass er zeitweise kaum zu verstehen war. Er meldete, dass die B 305 zwischen Ruhpolding und Reit im Winkel "wegen dieser Wahnsinnskrötenwanderung" gesperrt ist - "sind das alles unsere Kröten, die nach Griechenland wandern?"

Gut, vielleicht kennt man Matuschkes Späße und Poltereien inzwischen. Vielleicht kann auch er nicht jeden Abend grandios sein. Aber immerhin ist der Mann für Überraschungen gut. Er legt einen Coldplay-Song zweimal hintereinander auf, weil er mit einer Hörerin auf Whatsapp "Wahrheit oder Pflicht" spielt und in die Pflicht genommen wird. Und erzählt live, dass er sich gerade aus dem Studio ausgesperrt hatte und den mit Generalschlüssel ausgestatteten Nachtwächter des Senders kaum dazu bewegen konnte, die Schuhe anzuziehen und ihm zu Hilfe zu eilen. Nach wie vor gilt vor allem: Der DJ Matuschke entdeckt immer wieder Songs, die andere ignorieren. Er machte Fools Garden ("Lemon Tree") und Liquido groß, er spielte den Keller Steff, die Raith-Schwestern, den HMBC-Blues "Vo Mello bis ge Schoppornou", Blue October und die wunderbaren The Airborne Toxic Event. Manchmal fragen ihn Bands sogar, welche Single er aus einem Album auskoppeln würde.

Der Workaholic, der seine Arbeit als Vergnügen sieht, ist ein Musikverrückter. Er ist als Radiohörer mit Jim Sampson, Fritz Egner und Thomas Gottschalk groß geworden, hat in der von amerikanischen Soldaten frequentierten Weidener Disko als "einziger weißer DJ" HipHop, Rap, RnB und Funk aufgelegt. Er findet De La Soul toll, ist extra nach Buffalo geflogen, um Bob Seeger zu hören, und mag Van Morrison. Bis vor Kurzem hatte er 9000 CDs und doppelte so viele LPs, Maxis und Singles, inzwischen hat er fast alles verkauft, weil er die hohen Umzugskosten nicht mehr zahlen wollte. Denn Matuschke war bisher, schon beruflich, ein Getriebener. Er wohnte in Augsburg, Ulm, Köln, Mannheim, Baden-Baden, Mergentheim, zwischendrin in Ingolstadt, der Liebe wegen. Und nebenbei zog er noch fünf Kabarettbühnen auf und moderierte Standup-Comedians und andere Künstler an, unter anderem auch im Münchner Augustiner.

Doch längst trägt sich Matthias Matuschik mit dem Gedanken, das Land zu verlassen, vor allem weil er ein "Sommer-, Strand- und Salzwassermensch" sei. Nach langem "verzweifelten Kampf im Netz" sei ihm auch die Zeit zu schade, sich mit Neo-Nazis und AfD-Anhängern auseinanderzusetzen, zumal er selbst immer wieder bedroht worden sei. Dass die AfD drittstärkste Kraft im Bund geworden ist, empfindet er ohnehin als Schande: "Ihr spinnt alle."

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