Musik:"Junge, komm bald wieder"

Krailling Walter Erpf legt 50 er Musik auf

Frisch aus den Fünfzigerjahren: Walter Erpf beim Seniorennachmittag.

(Foto: Nila Thiel)

Walter Erpf, versierter Kenner der deutschen Unterhaltungsmusik, legt in Krailling Schlager der Fünfzigerjahre auf.

Von Blanche Mamer, Krailling

"Sie dürfen gerne mitsingen", fordert Walter Erpf beim Kulturnachmittag im Alten Wirt in Krailling die Senioren auf. Unter dem Motto "Mit 'nem Kuss vor der Haustür fing's an" legte er alte Schellackplatten mit Schlagern der 50-er Jahre auf. Der Musiker, Orchesterleiter und Schallplattensammler Walter Erpf ist einer der versiertesten Kenner der deutschen Unterhaltungsmusik der 20-er und 30-er Jahre. Er kennt sich aber auch in der Schlagerwelt der Nachkriegszeit bestens aus. Die Menschen hätten nach den schweren Kriegsjahren den ganzen Dreck vergessen wollen und seien in die Schlager geflüchtet. Sie wollten die heile Welt, wollten leichte Texte und mitsingen, sagt er.

"Mit der Distanz von heute und einem ironischen Augenzwinkern kann man die Schlager jetzt wieder hören", findet er. Während er die zwei alten Koffer-Grammophone aus seiner Sammlung justiert - einen elektrischen Plattenspieler von Phillips und ein mechanisches Kurbelgerät von Homocord -, beginnt er zu erzählen. Schellackplatten könne man nur auf alten Grammophonen gut abspielen, nicht auf modernen Plattenspielern. Bis 1956 seien die meisten Aufnahmen auf Schellack gepresst worden. Er besitze noch einige alte Aufnahmen von Johnny Cash, auch die ersten Scheiben von Udo Jürgens, die auf Schellack herausgekommen sind. Vinylplatten gebe es seit 1950. Trotz der Entwicklung der leichter zu handhabenden CDs hörten Kenner immer noch Schallplatten, da die Klangqualität besser sei.

Und dann legt er auf, ganz behutsam setzt er die Nadel auf die Rille, die 150 Meter lang ist. Bei den ersten Klängen der "Capri Fischer" von Rudi Schuricke bekommen einige Zuhörerinnen glänzende Augen, und beim Refrain "Bella, bella, bella Marie, vergiss mich nie" werden sie verträumt. Die Platte sei ein Riesenhit gewesen, erzählt Erpf, sie habe Schuricke 1949 die erste in Deutschland vergebene Goldene Schallplatte eingebracht. Schurickes Lieder waren vom Swing beeinflusst, erreichten Spitzenplätze in den Hitparaden. Mit dem aufkommenden Rock'n Roll verschwand Schuricke von der Schlagerbühne. Er betrieb ein Hotel und einen Waschsalon in München. Und starb 1973 mit 60 Jahren. Er lebte in Berg und trat regelmäßig in Herrsching auf, ergänzt ein Zuhörer. Dort ist er auch beigesetzt.

"Ich war als Jugendlicher ganz schön arrogant. Ich mochte keine deutschen Schlager und habe mich erst spät damit beschäftigt", erzählt Erpf. Freddy Quinn habe er gehasst, "ein Brechmittel". Vor etwa zehn Jahren habe sich das geändert. "Hut ab vor seinem Leben. Ich habe echt Respekt. Und heute sehe ich seine Qualität." Quinns Kindheit und Jugend haben ihn besonders gepackt. Und so berichtet er ganz ausführlich vom Dreijährigen, der 1934 vom irischen Vater nach Amerika mitgenommen wurde, dort zur Schule ging, bis seine österreichische Mutter sich das Sorgerecht erkämpfte und ihn nach Wien zurückholte. Mit der Kinderverschickung nach Ungarn, wo er sich einem amerikanischen Militärtransport anschloss und bei Kriegsende nach Amerika verfrachtet wurde. Sein Vater war inzwischen gestorben, und der 14-Jährige musste zurück nach Europa. Damit war die Odyssee noch nicht beendet: Erziehungsheim in Antwerpen, als 16-Jähriger mit Autostopp nach Südeuropa und Nordafrika. Er schloss sich einem Zirkus an, lernte Akrobatik und Saxophon und blieb in Marseille hängen. Er lernte Gitarre und sang dazu, trat vor Seeleuten auf und erkannte, dass sie ihm besonders dann zuhörten, wenn er von Heimweh und schönen Frauen sang. "Heimweh" wurde 1957 ein Riesenhit, genauso wie "La Paloma" oder "Junge, komm bald wieder". Er verkaufte mehr als 60 Millionen Platten, mehr als Peter Alexander. Inzwischen ist er 86 Jahre alt und lebt in Hamburg.

Genau so alt ist Caterina Valente. Die Tochter einer Künstlerfamilie wuchs im Zirkus auf und nahm mit 17 ihre erste Platte auf: "Istanbul". "Was für eine Stimme", sagt Erpf und lauscht versonnen. Für sie wurde erstmals 1954 eine Plattenhülle gestaltet, womit eine neue Ära begann, denn bis dahin hatten die Platten einheitliche Hüllen. Doch was ist mit dem "Kuss vor der Haustür"? Erpf spielt den Song der "Travellers", auch ihren Hit vom "Tango Max". Lale Andersen legte er auf, auch Theo Lingen, Maria von Schmedes, Cornelia Froboess, das Sunshine Quartett und schließlich seine Lieblingsplatte: "D'Schönheitskönigin von Schneizlreuth" von der Münchner Volkssängerin Bally Prell. Da sangen dann auch einige Senioren mit. Und weil's so schön war, forderten sie eine Fortsetzung.

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