Münsing:Rechtsstreit über drei Holzhütten

Ein Ehepaar prozessiert seit Jahren gegen eine Abrissverfügung

Von Wolfgang Schäl, Münsing

Ist das nur ein besonders schriller Auswuchs der Rechtsstaatlichkeit oder ist es juristischer Alltag, der nachvollziehbar macht, warum Gerichte in Deutschland so überlastet sind? Seit fünfeinhalb Jahren wogt ein Rechtsstreit zwischen der Bad Tölzer Kreisbehörde und einem Münsinger Ehepaar, das sich gegen eine Anweisung des Landratsamtes zur Wehr setzt, drei Holzhäuschen auf seinem Grundstück an der Nördlichen Seestraße zu entfernen. Es handelt sich dabei um einen kleinen Schuppen für Gartengeräte, eine Fahrradhütte und einen Pavillon mit einer Grundfläche von 26 Quadratmetern, den der Steuerberater Christopher S. als Arbeitsraum benutzt. Er hatte ihn einst gebaut, weil er vier Kinder hat und das Arbeiten im Hause schwierig war.

Diese drei Hütten sind nun allerdings nicht neu: Sie standen bereits seit mehr als 20 Jahren am Rande des Grundstücks, bis die Kreisbehörde Anstoß nahm. Sie berief sich auf den Landschafts- und Biotopschutz und die Gefahr, dass eine Splittersiedlung entstehen könnte. In erster Instanz hatte das Münchner Verwaltungsgericht dem Ehepaar Mechtild und Christopher S. Recht gegeben, wogegen die Kreisbehörde Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) einlegte. Der tagte in der vergangenen Woche vier Stunden lang in Münsing, ohne dass ein Urteil fiel. Andreas Dhom, der Vorsitzende des 1. Senats, der in dreiköpfiger Besetzung plus Protokollführerin angetreten war, ließ nach einem Ortstermin allerdings schon deutlich anklingen, dass er die Argumente des Kreisbauamtes, bei der vierstündigen Verhandlung durch dessen Leiter Christian Schellhorn vertreten, in wichtigen Punkten teilt.

Falls der VGH dem Landratsamt Recht gibt, will das Ehepaar notfalls sogar vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen, "und wenn das Ganze zehn Jahre lang dauert", wie Christopher S. ankündigte. Denn hier gehe es um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Seinen Kompromissvorschlag, das Bürohäuschen um drei Meter zu verkürzen, lehnten Schellhorn und Landesanwältin Elisabeth Steiner jedenfalls kategorisch ab mit dem Hinweis, es könnte in puncto "Schutz des Außenbereichs" womöglich zu Bezugsfällen in der Nachbarschaft kommen.

Diese Haltung empfand das Ehepaar als umso bitterer, als es in den 1990er Jahren, als die Hütten entstanden, auf einen massiven Anbau ans Haus verzichtet hatte, der bereits genehmigt war. Auch verwies Mechtild S. auf die großen Kosten und Mühen, die sie und ihr Mann aufbrächten, um den Bestand an 300 Jahre alten Eichen zu sichern, die einst zum Pocci-Schloss gehörten. Mechtild S. ist selbst Architektin und hält viel auf Landschafts- und Ortsgestaltung; sie war Mitinitiatorin einer Ausstellung zum Thema "Alte und neue Architektur" am Ostufer des Starnberger Sees, zu der es auch einen umfangreichen Katalog gibt.

Was die Definition "Außenbereich" betrifft - bei der Verhandlung das zentrale Argument - stellte sich Richter Dhom auf die Seite der Kreisbehörde: Auch die Gefahr von Splitterbildung auf umliegenden Grundstücken mochte er, ungeachtet des Hinweises von Christoph S., "dass die alle schon längst gesplittert haben", nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ob sich der Richter durch das leidenschaftliche Schlussplädoyer von Christoph S. - "das alles ist eine ökologische Absurdität" - beeindrucken ließ, wird sich am Donnerstag zeigen: Dann verkündet Dhom seine Entscheidung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: