Münsing:Das Glück des Selbermachens

Metallgestalter Tom Carsten veranstaltet in seiner Werkstatt archaisch anmutende Schmiede-Kurse, die vor allem Männern, aber auch Firmenteams, Gruppen und Pärchen große Freude bereiten.

Von Carolin Fries, Münsing

"Das sind eure Messer", sagt Tom Carstens und deutet auf sieben nebeneinander aufgereihte, etwa zwei Finger breiten Stahlklötzchen, die stumpf und schwarz auf einem Arbeitstisch in seiner Münsinger Werkstatt liegen. Es ist Samstagmorgen, sieben Kursteilnehmer haben gerade ihr Begrüßungshaferl Kaffee geleert und wollen loslegen, sich selbst ein Messer schmieden. Carstens kennt das, seit zwölf Jahren versammelt er fast jeden Samstag Menschen in seiner Schmiede, die das "Glück des Selbermachens" suchen: Es buchen Einzelpersonen, Firmen, Gruppen, Pärchen. Der 44-Jährige macht ein paar lockere Sprüche, gibt Hinweise zur perfekten Temperatur, warnt vor Verbrennungen. Und dann geht es los.

Messerschmiedekurs bei Tom Carstens

Immer ein Eisen im Feuer: Metallgestalter Tom Carsten zieht ein glühendes Eisenstück aus dem Steinkohleofen. Das Material wird bis zu 3000 Grad Celsius erhitzt.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Schmieden im Feuer

Die kleinen Steinkohlefeuer erreichen Temperaturen von bis zu 3000 Grad Celsius. Es dauert nur wenige Minuten, bis es nach Schweiß und Ruß riecht. Carstens hat gewarnt, nicht zu lange direkt in die Flammen zu blicken - vergeblich. Die Faszination ist zu groß, das Bild zu schön. Die Stahlklötzchen, sogenannte C45-Rohlinge, liegen in der Glut und werden hier auf bis zu 1300 Grad aufgeheizt. Es ist wie beim Grillen, jeder Teilnehmer behält sein Stück im Blick. Leuchtet es hellorange, holt er es aus dem Feuer und eilt damit zum Lufthammer, um das Klötzchen gewaltvoll platt zu drücken. Es klappen immer nur ein paar Schläge, dann ist das Material schon wieder zu kalt. Die Spitze wird mit der Hand am Amboss geschlagen, wer will, schlägt seine Initialen in die Klinge. Der Arbeitsprozess wirkt einfach und banal, erfordert aber große Aufmerksamkeit. "Hier passieren die meisten Fehler", weiß der 44 Jahre alte Metallgestalter Carstens. Das Gefühl unter den Teilnehmern: Pure Freude. Was ist schon ein Trumpf im Ärmel, wenn man ein Messer im Feuer hat?

Messerschmiedekurs bei Tom Carstens

Schmieden, schleifen, bohren, härten und polieren.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Schleifen und Bohren

Mit der Flex sollen sowohl Klinge als auch Griff die gewünschte Form bekommen. Carstens verteilt Schutzbrillen und Ohrenstöpsel, mit Stellwänden werden die Arbeitsplätze unterteilt, die grob geschmiedeten Messer in die Schraubstöcke gespannt. Cartens sagt, er habe schon Kursteilnehmer flexen sehen, "als würden sie Geige spielen". Soll heißen, dass nicht ausschließlich Kraft zum gewünschten Ergebnis führt. Die Klinge darf nach diesem Arbeitsschritt maximal 12,5 Zentimeter lang sein, um es ohne Waffenschein mit sich führen zu dürfen. In den Griff werden anschließend zwei kleine Löcher gebohrt. "Ich habe immer ein Messer am Mann", sagt Jan. Der 55 Jahre alte Produktionsleiter aus dem Tölzer Landkreis ist mit zwei Freunden da. Sie bauen sich daheim gerade eine kleine Schmiede auf, erzählt er. Und dann sagt er noch, dass er ein halber Indianer sei, an seinem Arbeitsplatz über dem Computer habe er einen Traumfänger hängen.

Messerschmiedekurs bei Tom Carstens

Seit zwölf Jahren erfahren Kursteilnehmer in der Münsinger Schmiede von Tom Carsten, wie man ein individuell gestaltetes Messer herstellt.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Härten

Jetzt verschwinden die Messer für etwa zwanzig Minuten im Elektro-Ofen, wo sie bei 840 Grad Celsius gehärtet werden. Anschließend schreckt jeder Teilnehmer sein Werkstück in einer Schüssel mit Öl ab und danach im Wasser. "Das ist wie bei uns, wenn wir uns nach der Sauna kalt abduschen", sagt Carstens. "Eure Messer sind jetzt tiefenentspannt." Gereinigt und entfettet landen sie noch ein zweites Mal im Ofen, wo sie bei 200 Grad Celsius solange bleiben, bis das Metall goldfarben und kornblumenblau schimmert. Jetzt sind die Klingen scharf, Carstens entzundert sie am Bandschleifer. Bevor es weitergeht, wird gemeinsam in der Schmiede an einer Biergarten-Garnitur gegessen: Carstens' Frau hat Rinderbraten mit Knödeln und Blaukraut gekocht. Die Männer zwischen 24 und 56 Jahren erzählen, dass sie alle den Kurs geschenkt bekommen haben. Einige sind über die Freude am Kochen zur Messerkunst gekommen, wollen das selbstgeschmiedete Stück zum Fischen oder als Brotzeitmesser nutzen. Feuerwehrmann Georg aus München, der sich gemeinsam mit Sohn und Schwiegersohn angemeldet hat, sagt: "Ich denke, das wird eher ein Ausstellungsstück."

Griffe gestalten

Mindestens zehn einheimische Hölzer hat Carstens immer da, die als Griffhölzer verwendet werden können: Birne, Eiche, Apfel, Ahorn, Nuss, Ulme, Kirsche, Esche, geräucherte Eiche, Elsbeere. Wie Spielsteine wirken die vorgesägten Stücke, die er auf den Arbeitstisch stellt. Sofort wird ausprobiert, wie die Farben am Metall wirken. "Was ihr zuerst in die Hand nehmt, ist meistens das richtige", sagt der Kursleiter. Am häufigsten wird in diesem Kurs zum dunkelsten Holz gegriffen, der geräucherten Eiche. Die Griffe werden gebohrt, verklebt und vernietet, anschließend geschliffen.

Polieren

Erst durch das Polieren mit Pflegeöl bekommen Klinge und Griff die gewünschte Optik. Plötzlich wird die Struktur des Holzes sichtbar, das Eisen blitzt. "Alles Messer - doch jedes anders", stellt Landwirt Andi fest. "Viel besser, als ich es mir vorgestellt habe", zieht Feuerwehrmann Georg Bilanz. Er hätte nicht gedacht, tatsächlich so viele Arbeitsschritte selbst ausführen zu dürfen. Jan und seine Freunde überlegen, womöglich im kommenden Jahr einen Fortgeschrittenen-Kurs zu belegen. Bis dahin wollen sie in ihrer Hobby-Schmiede üben.

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