München/Starnberg:Starnberg ohne Chance

Verwaltungsrichter halten Stadtratsbeschluss zum Aussetzen der Straßenausbausatzung für rechtswidrig

Von Andreas Salch, München/Starnberg

Vor fast genau zwei Jahren entschied Bürgermeisterin Eva John die Straßenausbaubeitragssatzung aufzuheben. Die "Allianz gegen Straßenausbaubeitrag in Bayern" jubelte und kürte John zur "Bürgermeisterin des Jahres 2015". Die Kommunale Rechtsaufsicht am Landratsamt hatte die Entscheidung von Starnbergs Bürgermeisterin vom Frühjahr 2015 jedoch als rechtswidrig beanstandet. Denn Starnberg, so das Argument, könne keine "anhaltend solide finanzielle Lage" vorweisen.

An diesem Dienstag klagte die Stadt gegen diese "rechtsaufsichtliche Beanstandung" vor dem Verwaltungsgericht (VG) München. Auch wenn die Richter erst am heutigen Mittwoch ihre Entscheidung bekannt geben werden - in der mündlichen Verhandlung wurde eines bereits deutlich: Der Stadtratsbeschluss zur Aufhebung der Beitragssatzung vom 29. Juni 2015 wird aller Voraussicht nach keinen Bestand haben. Der Vorsitzende Richter am VG verwies dabei auf einen nahezu identischen Fall aus dem Landkreis München. Dort hatte die Gemeinde Hohenbrunn ebenfalls die Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung beschlossen. Anfang November 2016 wurde die Gemeinde aber vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) dazu verurteilt, künftig wieder Beiträge für den Straßenausbau zu erheben. Doch gegen diese Entscheidung, so der Anwalt der Stadt Starnberg, Rechtsanwalt Walter Leisner, wolle Hohenbrunn Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen. Ob mit Blick auf dieses Verfahren etwas für die Stadt Starnberg herauskommt, sei fraglich, meinte der Vorsitzende Richter in der Verhandlung vor dem Münchner Verwaltungsgericht. Denn es gehe um Landesrecht, und dies wiederum "entzieht sich dem Bundesverwaltungsgericht".

Laut Kommunalabgabengesetz sollen für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen Beiträge erhoben werden. In seinem Urteil vom November vergangenen Jahres gehe der VGH davon aus, dass das "unregelmäßige Verb Sollen ein Muss ist", so der Vorsitzende Richter in der Verhandlung am Dienstag. "Soll ist als Muss auszulegen."

Auch der Landtag wolle, dass Kommunen Beiträge erheben, es sei denn, ihre Haushaltslage sei außergewöhnlich gut. Zur Aufgabenerfüllung von Kommunen gehöre es leistungsfähig zu bleiben. Die Straßenausbaubeitragssatzung müsse als Einnahmequelle genutzt werden, sagte der Vorsitzende. Es sei denn, es liege ein "atypischer Fall" vor. Laut dem Urteil des VGH ist dies der Fall, wenn trotz eines Beitragsverzichts "die stetige Aufgabenerfüllung als auch die dauernde Leistungsfähigkeit sichergestellt seien." Darüber, ob ein "atypischer Fall" vorliege, so der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht, habe jedoch nicht eine Kommune zu entscheiden. Und zwar deshalb, weil es sich um eine "reine Rechtsfrage" handle. Als der Starnberger Stadtrat die Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung beschlossen habe, habe der Schuldenstand rund 18 Millionen Euro betragen und zwar "mit einer gewissen Tendenz nach oben", so der Vorsitzende. Aus diesem Grund könne die Stadt Starnberg nicht davon reden, dass es ihr so gut gehe, dass sie auf diese Beträge verzichten kann. Bürgermeisterin Eva John verwies darauf, dass die Starnberg trotz eines "sehr, sehr hohen Investitionsvolumen" von 30 Millionen Euro für die Infrastruktur "sehr solide" dastehe. Die Steuereinnahmen stiegen ständig. Die Rücklagen würden "maßvoll in Anspruch genommen". Seit 2014 habe die Stadt keine neuen Kredite aufnehmen müssen, und bis Ende dieses Jahres würden die Schulden auf 13,8 Millionen Euro abgebaut. Die Pro-Kopf-Verschuldung Starnbergs betrage zwischenzeitlich nurmehr 603 Euro. 2014 habe sie noch bei 820 Euro gelegen.

Er könne nur gratulieren zu diesem "sehr soliden Haushalt", sagte der Vorsitzende Richter. Doch für die Aufhebung der Straßenausbaubeiträge reiche dies nicht aus.

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