Moderne Landwirtschaft:Drohnen überm Acker

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Eine Drohne, die den Landwirten helfen soll. Markus Schuster von Inspect Air präsentierte sein Fluggerät auf dem Zentral-Landwirtschaftsfest. (Foto: Johannes Simon)

Markus Schuster demonstriert auf dem Landwirtschaftsfest der Wiesn, wie man mit den kleinen Sechs-Schraubern vor der Ernte Wild im Getreidefeld aufspüren oder auch Schädlinge bekämpfen kann

Von Armin Greune, Kempfenhausen

Was viele nur als Spielzeug kennen, ist für Markus Schuster zentrales Werkzeug: Mit Hilfe einer ferngesteuerten Drohne und Spezialkameras liefert er seinen Kunden Bilder und Daten aus der Vogelperspektive für deren Betrieb. Der von ihm eingesetzte Sechs-Schrauber hat freilich mit Dutzendware aus dem Elektronikmarkt wenig gemein: 13 000 Euro kostet Schusters Präzisionsfluggerät, für die Wärmebildkamera etwa kommen noch einmal 10 000 Euro dazu; außerdem hat Schuster noch je eine Multispektral- und eine hochauflösende Kamera für sichtbares Licht zur Hand. Mit dieser Ausrüstung und dem Laptop kann der Berger ein großes Spektrum an Dienstleistungen anbieten - etwa für Betreiber von Industrie- und Fotovoltaikanlagen.

Aber auch für einfache Bauern kann sich seine Luftaufklärung lohnen. Um vor allem diesen Kundenkreis anzusprechen, hatte Schuster in der vergangenen Woche einen Stand auf dem Zentralen Landwirtschaftsfest am Rande der Münchner Wiesn. Zwischen Anbietern von Hydraulikpumpen und Fassadenprofilen war der 49-Jährige Diplomingenieur in einer eher ruhigen Nebengasse untergebracht. Selbst wenn ihn dort nur relativ wenige potenzielle Kunden fanden, bereut er seinen ersten Messeauftritt "überhaupt nicht: Hier konnte ich meine Arbeitsbereiche einem breiten Publikum vorstellen". Und abseits der Besucherströme blieben ihm auch die Scheininteressenten erspart, die nur seine ausgestellte Drohne begutachten "und dann meinen, mei Bua hod aa so a Trumm", sagt Schuster und lacht.

Vor einem Jahr hat er die Firma Inspect Air gegründet, nachdem er sich drei Jahre lang intensiv mit Drohnentechnik befasst hatte. Eigentlich hat der alleinerziehende Vater von drei inzwischen erwachsenen Töchtern Kupferschmied gelernt, dann holte er das Fachabitur nach und studierte Verfahrenstechnik. Noch arbeitet er halbtags als Betriebsleiter in einem Erdgaslager weiter, doch vom Frühjahr nächsten Jahres an will er sich dann ganz seinem Startup-Unternehmen widmen. Den richtigen Ton im Umgang mit den Klienten auf der Theresienwiese zu finden, fällt dem 49-Jährigen leicht: Er stammt selbst aus einer kleinen Landwirtschaft in Kempfenhausen, den Vater Anton auf Pensionspferdehaltung umgestellt hat.

Daheim hat sich die Wärmebildkamera am Hexakopter heuer schon bewährt: Bei Bachhausen hat Schuster ein Feld vor der Mahd beflogen und Rehkitze darin aufgespürt. Die Einsatzkosten von 100 Euro haben sich Jäger und Jagdgenossenschaft geteilt. "Die Landwirte waren begeistert, weil alles so rasch geht, dass sie bei der Arbeit nicht blockiert werden", sagt Schuster. Aus 90 Meter Höhe erfasst die Infrarotlinse Körper ab 30 Zentimeter Größe und registriert noch Temperaturabweichungen von zwei Grad. Schuster hat heuer 200 Hektar Fläche kontrolliert, dabei jedes Reh entdeckt und so 20 Tieren das Leben gerettet.

Manchmal gilt es aber, nicht das Tier vor der Ernte zu schützen, sondern umgekehrt: Mit der Thermografieausrüstung lassen sich auch Wildschweine finden, die sich etwa in einem Maisfeld versteckt haben. Für dieses Anwendungsgebiet interessierte sich auf der Theresienwiese Armin Keller. Er ist Waldbesitzer und Jagdpächter im Allgäu und war dabei, "wie Fürst Stauffenberg sein Revier vor der Sauhatz mit dem Hubschrauber überflogen hat, um die Schwarzkittel aufzuspüren". Wenn aber dann die Hunde entlang der Maisreihen ins Feld rücken, brechen die Sauen panisch quer durch und richten noch größeren Schaden an. Schuster will mit einem Hersteller ein Soundmodul für die Drohne entwickeln, das Schwarzwild aus dem Feld vergrämt. Mit Keller ist er sich einig, dass die abschreckenden Geräusche häufig wechseln müssten, damit sie die intelligenten Tiere auf Dauer aufscheuchen. Vielleicht aber sind abschreckende Gerüche in Stinkbomben doch die bessere Lösung?

Auch wenn ein Wildschaden im Feld entstanden ist, hilft Schuster den Landwirten weiter. Mit programmierten Scannerflügen und Georeferenzdaten lässt sich das Schadensausmaß auf den Quadratmetergenau ausrechnen - egal, ob dafür Sauen oder Hagel verantwortlich sind. Mit der Multispektralkamera bestückt, kann die Drohne Wasser- und Nährstoffdefizite in Pflanzen erfassen, die digitalen Ortsdaten werden dann direkt in eine Düngemaschine übertragen. Klar, dass auch vom Boden her unsichtbare Waldkrankheiten wie ein Kupferstecherbefall in Baumkronen im Luftbild deutlich werden. Und zur Bekämpfung des gefürchteten Maiszünslers - wo oft die umstrittenen Neonicotinoide eingesetzt werden, die Bienensterben verursachen können - hat Schuster eine biologische Alternative parat: Mit der Drohne kann er Larven der Trichogamma- Schlupfwespen über dem Feld abwerfen, die Eigelege des Maiszünsler befallen und abtöten.

Abseits der landwirtschaftlichen Arbeitsfelder gibt es für Inspect Air noch eine Vielzahl von Tätigkeitsbereichen: Mit den Luftbildkameras lassen sich an Brücken und hohen Gebäuden Bauschäden oder Isolationslücken finden. Schuster hat auch einen Auftrag erhalten, in Starnberg eine Fotovoltaikanlage zu kontrollieren. Die Thermografiebilder zeigen, wenn einzelne Solarmodule ausgefallen sind: Sie geben dann mehr Wärme nach außen ab.

Für die Zukunft hofft der Ingenieur auf weitere Einsatzgebiete. Bislang ist das Aufstiegsgewicht für gewerblich eingesetzte Drohnen auf fünf Kilogramm begrenzt, demnächst wird der Gesetzgeber zehn Kilo erlauben. Was für Schuster bedeutet, dass die Drohne mehr Akkus mitführen und dann 30 statt 15 Minuten lang fliegen kann - beim Inspektionsflug über ein größeres Waldgebiet etwa ein beträchtlicher Vorteil. Und sollte einmal die Einschränkung fallen, dass man die Fluggeräte nur auf Sicht steuern darf, ließe sich die maximale Reichweite der Fernbedienung von zwei Kilometern ausschöpfen: "Dann könnte man künftig damit auch Erdgasleitungen abfliegen". Diese Aufgabe erfüllen derzeit noch die viel kostspieligeren, mit Piloten besetzten Hubschrauber - wenn sie nicht gerade für Fürst Stauffenberg Wild aufspüren.

© SZ vom 26.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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