Es gibt Traditionen, an denen darf man nicht rühren. Sie haben mitunter sogar ihren Sinn. Das Starnberger Faschingstreiben zum Beispiel findet immer auf dem Kirchplatz statt. Das Wetter hält sich ebenfalls an die Spielregel: Entweder es ist saukalt, oder es regnet. Beides heißt: maue Stimmung. Auch die Ausflügler, die an den See kommen, halten sich an eingeübte Regeln: Sobald für das Wochenende schönes Wetter angekündigt wird, darf man rund um die Kreisstadt mit vollen Parkplätzen, verstopften Straßen und genervten Familienvätern rechnen. Ende August hingegen, wenn sich die Stadt geleert hat, lassen sich traditionsgemäß die Ferien erst so richtig genießen - mit ruhigen Seeufern und weniger Verkehr.
Bislang war es auch gute Tradition, dass das Pfälzer Weinfest in der ersten Juliwoche stattfindet - natürlich auf dem Kirchplatz und meist bei Regen. Alles sehr romantisch also. Und bitte, was ist heuer? "Vom 30. Juni bis 2. Juli ist es wieder so weit", schreibt das Landratsamt Starnberg. Die Winzer aus dem Partnerlandkreis Bad Dürkheim kämen nach Starnberg und laden zu Pfälzer Wein, Saumagen und Pfälzer Lebensfreude und Geselligkeit ein. Die Weinprinzessin Katharina Weisbrodt werde das Fest um 18 Uhr eröffnen. So, so, lässt sich da nur sagen. Hat eigentlich irgendjemand in Bad Dürkheim oder Starnberg von der Tutzinger Fischerhochzeit gehört, die genau an diesem Wochenende ebenfalls stattfinden wird, mit mehr als 10 000 Besuchern?
Wie zu hören ist, soll die Vorverlegung des Pfälzer Weinfestes auf Wunsch der Winzer beziehungsweise des Tourismusvereins Deutsche Weinstraße Mittelhaardt geschehen sein. Dabei hieß es doch bisher, dass die Pfälzer an Traditionen hängen. Und nun diese plötzliche Flexibilität. Wahrscheinlich werden sie im nächsten Jahr auch keinen Saumagen mehr anbieten.