Mitten in Schondorf:Nackedeis und Papageien

Die Dekoration im Rathaus birgt so manche Überraschung

Von Armin Greune

In wohl kaum einer anderen Gemeinde des Fünfseenlands versteckt sich hinter der unaufgeregten Rathausfassade eine solche Opulenz wie in Schondorf: Von außen zeigt das 1970 errichtete Flachdachgebäude die klaren, geraden Strukturen des Bauhausstils. Doch im prunkvoll ausgestatteten Sitzungssaal treffen nüchterne Verwaltungsakte auf geradezu wollüstige Frauenakte von Paul Paede - ein Maler, der um 1900 gelebt hat und sich mit seinen Nackedeis den Beinamen "Rubens des Impressionismus" erpinselte.

Die Gemeinde erfreut sich einer reichhaltigen Gemäldesammlung: Sie besitzt an die 100 Bilder von Schondorfer Künstlern und Ortsansichten, von denen aber stets nur eine kleine Auswahl im Saal zu bewundern ist. Derzeit hat ein unbekannter Kurator die Nordseite des Saales als Ode an die weibliche Schönheit konzipiert: In zehn Rahmen sind ausschließlich Gruppen oder Einzelporträts von Frauen dargestellt, deren Bekleidung von links nach rechts stetig zunimmt. Die Südseite hingegen schmücken historische Ortsbilder, hinter dem Bürgermeisterstuhl hängen eine weitere Dorfansicht und drei Landschaftsbilder an der Westwand.

Doch damit nicht genug: Zur Rechten des Rathauschefs ragen drei farbenprächtige Banner in den Raum. Wer geografisch nicht so sicher verortet ist, könnte sich davon freilich in die Irre führen lassen: Folgt man der Botschaft der Flaggen, müsste die Gemeinde zwar im Freistaat Bayern liegen - allerdings nicht am Ammersee, sondern am Amazonas. In der Mitte, zur Rechten des schlichten, blauweißen Rautentuchs, prangt eine kunterbunte Fahne, auf der sich unter anderem Gelbbrust-Aras und ein quietschrosa Flussdelfin tummeln. Nur Eingeweihte wissen, dass dieses Wappen zu Puerto Leguízamo gehört, Schondorfs Klimapartnerschaftskommune. Wer nun aber denkt, dass im rechten Träger die Fahne der Heimatgemeinde steckt, liegt glatt daneben - Schondorf präsentiert stattdessen die kolumbianische Nationalflagge. Schade eigentlich, denn der Ort könnte im Wappen auch mit einem mythenumwobenen Fabeltier aufwarten: Vor weiß-rot-gelben Hintergrund findet sich auf dem Banner ein gekröntes, aber unbekleidetes Einhorn.

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